Sehnsucht hinter dem Zaun
Der Künstler Bart Koning malt Ölbilder, die auf den ersten Blick wie Fotos wirken. Sie entstammen eigenen Erinnerungen.
Krefeld. Auf hellen Holzbohlen hat jemand sein Zelt aufgebaut, ein altes Modell mit einem First, der von zwei senkrechten Stangen getragen wird. Wind, Wetter und der Schmutz zahlloser Campingplätze haben ihre Spuren darauf hinterlassen. Viele Nächte hat dort in stickiger Hitze oder unter dem Trommeln des Regens ein Mensch gelegen — doch nun ist er nirgends zu sehen.
Das großformatige Bild in der Ausstellung von Bart Koning, die morgen im Kunstverein beginnt, wirkt wie eine Trockenübung für das, was danach kommt: Jemand, vielleicht der Besitzer des Zeltes, folgt seinem Fernweh.
Im ersten Stock erreicht er das Meer, von Koning in 1,70 mal 2,60 Meter festgehalten, endlose Weite unter einem grauen nordischen Himmel. „Das Thema des Bildes“, sagt er, „ist nicht das Meer, sondern die Sehnsucht, die dahinter steckt.“
Koning, der ohnehin nicht besonders gern über sein Werk spricht, hätte das gar nicht sagen müssen, weil man es sofort spürt. Wer schon einmal an der Nordsee gestanden hat, ahnt das nasskalte Wetter, den Salzgeruch und den Klang der Wellen. Das Bild entfaltet eine archaische Kraft, die dem Ausstellungstitel „Going Home“ eine existenzielle Dimension verleiht. „I Go to Sea“ heißt das Werk, damit muss auch die letzte aller Reisen gemeint sein. Zumal gegenüber in derselben monumentalen Größe „I Go to Sleep“ hängt, ein undurchdringliches Gewirr von Ästen und Zweigen, dahinter lichtloses Dunkel.
Die Wirkung der Bilder verstärkt sich durch Konings Stil, der die malerische Perfektion sucht und häufig findet. Auf den ersten Blick hält man die Arbeiten für Fotos, doch es sind bis ins Detail ausgestaltete Ölgemälde. Unfassbar, dass sie sich in erster Linie aus Konings Erinnerung speisen — Fotos nutzt er nur als Gedächtnisstütze. Das gilt auch für das Rennpferd, das er auf zwei mal drei Metern Größe mit jedem Muskel, jeder Rippe und jedem Haar porträtiert. Erst auf den zweiten Blick erkennt man hinter einem Lattenzaun die Dünen, noch so ein Sehnsuchtsort.
Mit schnellem Strich hat Koning diese Landschaft in 24 kleinen Bildern vorskizziert. Sie zeigen noch viel unmittelbarer jene Qualität, die Kurator Thomas Janzen „Haltung“ nennt: „Das Ich ist bei Bart Koning immer spürbar, ohne dass ein Mensch zu sehen ist.“ Verkleidet hat der Maler dieses Ich mit Hilfe des Romans „Robinson Crusoe“. Daniel Defoes Kapitel geben seinen Bildern die Titel. Robinson, dessen Geschichte er schon als Kind gelesen hat, kannte die Einsamkeit und den Drang, die Zelte abzubrechen. „Ich mag ihn“, sagt Koning. „Er jammert nicht.“