Textilmuseum: Vitrinen und Flammendiven
Brigitte Tietzel: Dior-Schau war unsere Sache. Der „Maskenball“ holt die Sonne ins Haus.
Krefeld. Brigitte Tietzel ist erbost. Gerade wurde im Kölner Museum für angewandte Kunst die attraktive Dior-Ausstellung eröffnet, und die Fachwelt schwärmt, die Modebranche speziell. "Dabei gehörte sie eigentlich uns." Die Chefin des Textilmuseums in Linn hatte gewissermaßen als erste die Hand ausgestreckt, als diese Schau geplant wurde. Der Coup scheiterte aber an einer geradezu anstößigen Kleinigkeit. Ihrem Haus, das sie, ganz selbstbewusst, in dieser Sparte an erster Stelle im Lande stehen sieht, fehlten die Vitrinen.
Dass man durch ein solches lächerliches Manko ins Hintertreffen gerät, ist für Brigitte Tietzel unverständlich und unerträglich zugleich. "Wir brauchen Vitrinen für fast jede Ausstellung." Textilien, auch wenn nur 40 Jahre alt - im Depot liegen 1000 Jahre alte Gewebe -, benötigen Schutz, wenn sie gezeigt werden.
So bleibt ihr nur der schale Trost, zwei Glanzstücke für die Kölner Schau als Leihgaben zu liefern: zwei Cocktailkleider des berühmten französischen Modedesigners; eines in Champagnerfarbe, das zweite in Weinrot. Dieses zierte einst als Titelblatt den Katalog zur Linner Schau "Die schöne Rheinländerin".
Die Museumschefin kann sich aber trösten. Zurzeit zeigt sie in ihrem Haus die kunterbunte Schau "Ein Maskenball" mit paradiesvogelhaften Kostümen von drei Designern, die einen besonderen Sensus für abenteuerlich-fantasievoll gestaltete Kreationen haben: Hazy Hartlieb, der sich, ganz Großstadtpflanze, selbst und anderen gefallen will, hat für die Shows der Hella von Sinnen Kostüme entworfen. Entsprechend schrill geben sich seine Flammendiva, Naturhexen und Luftgeister. Seine Krokodildame zieht echsenhaft eine grüne, gezackte Schleppe hinter sich her.
Bunt ist die Schau, die in diesem bisher verregneten Sommer die Sonne ins Haus am Andreasmarkt holt, noch in weiterer Hinsicht. Bei den Kreationen von Stephan Henn kann man sich vorstellen, wie er in seinem Atelier um sich greift: hier Bierfilze, Tablettenfolie, Zigarettenschachteln, dort Milchtüten. Aus diesen Dingen nähte er Kleider zusammen. So entstanden seine wunderbaren Starlets und Milchmädchen, kostbar angetan mit Dingen, die eigentlich zum Müll gehören.
Den Dritten im Bunde werden manche Krefelder kennen, haben von ihm gehört: Christof Cremer. Er entwarf die sagenhaften Kostüme der Stadttheaterinszenierung "Zauberflöte" (Regie: Mascha Pörzgen), fantastisch verwirbelte, geometrische Kreiselkleider für die Opern-Personnage.
Auf den "Maskenball" folgt schon am 16. September das "Land des Lächelns" mit Drachenroben aus dem Reich der Mitte. Den "Maskenball" kann man noch bis zum 12. August besuchen und sich die fehlende Sonne draußen bei Brigitte Tietzel drinnen als schönen, schrillen Farbenschrei in Herz rufen.