Theater Krefeld: Der Tod bricht ins Leben ein

Komponist André Parfenov und Choreograph Robert North bringen den Schmerz trauernder Eltern aufwühlend auf die Bühne.

Theater Krefeld: Der Tod bricht ins Leben ein
Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Die Uhr über der Szene ist stehen geblieben. Sie zeigt den Zeitpunkt des Unfalls, um den sich alles dreht. 71 Menschen starben am 1. Juli 2002 in großer Höhe über dem Bodensee bei der Kollision zweier Flugzeuge, darunter 49 Kinder aus Ufa, der Hauptstadt der russischen Republik Baschkortostan. Der Pianist André Parfenov hat eine Ballettmusik als „klingendes Denkmal“ für diese Kinder geschrieben, Robert North hat das Stück choreographiert. Ihr Werk „Verlorene Kinder“ feierte jetzt am Krefelder Theater Premiere.

Die Choreographie beginnt und endet mit dem Tod der Kinder, dem Schmerz der Eltern. Vier Tänzerinnen, drei Tänzer stellen die Hinterbliebenen dar. Am Anfang überwiegen Gesten des Schmerzes, der Trauer, auch des Zorns. Am Ende weisen die Hände nach oben und legen sich dann auf die Brust, das kann man als Abschied deuten.

Die Musik Parfenovs zu diesen Sequenzen ist elegisch, Melodien der Streicher, später kommen noch gedämpfte Bläser hinzu, verflechten sich mit lang gezogenen Tönen zu einem Hörbild des bleiernen Schmerzes.

Die Musik wechselt nach dem Beginn die Genres, entfernt sich von der gemäßigten Moderne. Parfenov, dessen von ihm selbst virtuos gespieltes Klavier oft im Zentrum steht, reichert sie mit Elementen aus Tango, Jazz und Rock an. Die Musik wird leichter, wenn auch nicht unbeschwert, ist rhythmisch intensiv und aufwühlend, bleibt immer emotional. Nur bei einer Art Chanson, gesungen von Gabriela Kuhn, liegt Parfenov in der Stimmung ein wenig daneben.

Zur leichteren Musik hat North eine Reihe von Rückblenden in das Leben der Kinder geschaffen, dargestellt von je drei Tänzern. Man blickt in ihren Alltag, erfährt von ihren Ambitionen in Kunst und Sport, erlebt sie mit ihren Eltern, mal im Spiel, mal in Szenen der Loslösung.

Gekonnt verbindet North Alltagsgesten mit Tanzschritten. So wie dem Komponisten gelingt auch dem Choreographen, die Trauer nicht so schwer werden zu lassen, dass sie das Leben gänzlich erstickt.

Die Schuld an der Katastrophe, die bei einem Fluglotsen lag, wird nicht thematisiert. Das Stück beschränkt sich darauf zu zeigen, dass der Tod jederzeit wie zufällig in das Leben einbrechen kann — und das ist für ein Tanzstück eine Menge.

Im Anschluss an „Verlorene Kinder“ wird noch der Reigen „Bilder aus der Neuen Welt“ zu Musik von Aaron Copland gezeigt. Das ist eine Nummernrevue mit Mafiosi, einem Indianer, einer Rollschuhkellnerin und anderen Klischee-Amerikanern. Man hätte dem Theater den Mut gewünscht, auf diesen heiteren Kontrapunkt zu verzichten.