Unverbraucht schöne Songs
Europäische Spitzenmusiker und bekannte Kellergäste: Jasper van’t Hof und Philip Catherine begeistern ihr Publikum.
Ein Abend für Nostalgiker? Auch das. Viele Gäste im ausverkauften Konzert des Jazzklubs im Jazzkeller werden sich noch daran erinnert haben, dass die beiden alten Herren Jasper van’t Hof (70) und Philip Catherine (75) unabhängig voneinander vor vielen, vielen Jahren schon einmal im Jazzkeller zu Gast waren. Trotzdem hat die Musik dieser beiden europäischen Spitzenmusiker nichts an Frische eingebüßt. Es wurde ein umjubelter Abend, das Publikum ersparte seinen ergrauten Helden nicht, auch noch eine Zugabe zu geben.
Der belgische Gitarrist Philip Catherine war 1988, im Jahr des 30. Geburtstags des Jazzkellers, bereits in Krefeld zu Gast. Von seinem Duo-Konzert mit dem dänischen Star-Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen wird immer noch geschwärmt. 1977 trat der niederländische Pianist Jasper van’t Hof zum ersten Mal im Jazzkeller auf, damals in der Band des deutschen Gitarristen Toto Blanke. Und dann hat man für van’t Hof schon zweimal einen Flügel die schmale Kellertreppe hinuntergetragen — zum 40. und zum 50. Geburtstag des Kellers in den Jahren 1998 und 2008. Dieses Mal gab es wieder einen Flügel, und dieses Mal war er weiß und hatte kurz zuvor eine Fernsehaufnahme mit Helene Fischer überlebt. Für die Playbackaufzeichnung der Schlagerkönigin war das Instrument akustisch gewissermaßen entschärft worden. Ein Techniker der Leihfirma konnte kurz vorm Konzert das Instrument für van’t Hofs Auftritt wieder herrichten.
Günter Holthoff, Ehrenvorsitzender des Jazzklubs und inzwischen schon in seinem neunten Lebensjahrzehnt angelangt, bereitete es sichtbar Vergnügen, die beiden Musiker anzukündigen und auf die historischen Stationen hinzuweisen.
Catherines und van’t Hofs gemeinsame Vergangenheit begann in den 1970er Jahren in der Jazz-Rock-Gruppe Pork Pie, in der auch der amerikanische Saxophonist Charlie Mariano (1923-2009) mitwirkte. Diese drei trafen sich auch in den folgenden Jahrzehnten immer wieder, zum Repertoire des jetzigen Konzerts gehörte folgerichtig die Mariano-Nummer „Crystal Bell“. Überhaupt wurde das Konzert von viel altem Material bestimmt, aber auch hier konnte man über die unverbrauchte Schönheit der Songs nur staunen. Etwa bei van’t Hofs „Mute“ oder bei Catherines „Janet“.
Van’t Hofs Spiel auf dem Piano ist immer noch äußerst zupackend. Die Läufe der rechten Hand sind rasant, die Melodik dabei unverkennbar eigen, und die Linke begleitet rhythmisch intensiv. Nicht selten wird das Spiel des Pianisten perkussiv, und wenn er sich in minimalistisch-rhythmische Variationen hineinsteigert, baut er ungeheure Spannung auf.
Catherines Gitarrenspiel ist mindestens so individuell wie van’t Hofs Tastenkunst, aber eben auch ganz anders. Während van’t Hof etwa eine bluesig-funkige Begleitfigur in die Tasten hämmert, singt Catherines Gitarre darüber ihre Melodien. Nur selten benutzt der Gitarrist auf seiner halbakustischen Gitarre mit tiefem Resonanzkörper Effekte, manchmal eine leichte Verzerrung, die meiste Zeit aber spielt er mit einem wunderbaren klaren Sound.
Natürlich sind auch Catherines Finger noch flink, und auch seine Begleitkunst ist in ihrer Vielfalt erstaunlich. Eben hat er noch im Swing-Stil die Akkorde in Vierteln geschrubbt, schon wechselt er in einen rhythmisch intensiven Funkstil oder in ein tänzelndes Latin-Begleitmuster.
Das war ein tolles Konzert, und fast könnte man sich wünschen, dass Catherine in dreißig Jahren noch einmal vorbeikommt, wie er es zwischendurch humorvoll andeutete. Wahrscheinlicher aber ist, dass van’t Hof nächstes Jahr schon wieder im Jazzkeller aufschlägt, wie schon von manchen gemunkelt wird. Nächstes Jahr wird der Jazzkeller 60 Jahre alt, und man könnte ja mal wieder einen Flügel die Treppe heruntertragen.
“ Auf alte Bekannte aus der Geschichte des Jazzkellers trifft man beim nächsten Konzert des Jazzklubs am 11. Januar. Der amerikanische Posaunist Ray Anderson und die niederländische Schlagzeug-Ikone Han Bennink treten mit ihrer Band auf.