Uraufführung: Im Reich der Bedingtheit
Andreas Simon tanzt mit einem Solo ins Gefängnis der unverarbeiteten Erinnerungen.
Krefeld. Vielleicht hatte er zu wenig Zeit? Andreas Simon, Krefelder Choreograph und Tänzer, war schon mit anderen Projekten bei "Move!" präsent, nun brachte er kurz vorm Ende der Tanztage mit "Gewölle" auch noch ein Solo heraus, das ein wenig unfertig und teils auch formal unstimmig wirkte. Die zweite Uraufführung im Rahmen von "Move!" in der Fabrik Heeder enthielt aber immerhin einige gelungene Bilder.
Begegnungen bleiben nicht folgenlos, schreibt Simon im Programm, bedingen "Wunden, Erinnerungen". Für diese "Einschreibungen" hat der Tänzer mit seiner Bühnenbildnerin Dusanka Grabovac ein einfaches Bild gefunden. Packbänder sind kreuz und quer über die Bühne gespannt, begrenzen Simons Bewegungen, erzwingen einen Umgang mit ihnen.
Zu Beginn stöckelt Simon in dieses Terrain der zur Behinderung geronnenen Affekte auf allen Vieren, an Händen und Füßen Plastikkappen mit Pfennigabsätzen. Offenbar muss man das Reich der Bedingtheit des eigenen Handelns vorsichtig betreten.
Drei Mitglieder eines Boxstudios dürfen dann eine Weile lang am Rande Seilchen springen, da bekommen die Bänder neben ihrer symbolischen auch eine konkrete Bedeutung. Man denkt an einen Boxring, wenn es Simon, der es sich gerade eben noch gemütlich machen wollte, hochreißt und er in Schattenboxmanier über die Bühne springt.
Man kann mit langen Stöcken als Gehhilfen auf den Bändern balancieren - ein gelungenes Bild -, man kann unter ihnen hindurchtauchen, sie als Hindernisse auffassen, die immer wieder neu bewältigt werden wollen. Zu unvermittelt setzt Simon verschiedene Umgangsweisen mit den Bändern nebeneinander, ohne übergreifende Dramaturgie.
Einmal hängt der Tänzer in Gummiseilen, die von oben herabbaumeln, wie ein im Schlaf Gefangener - dies wieder ein gelungenes Bild. Dabei beginnt er dann mit den Händen Geschichten zu erzählen, Begrenzungen können auch befreiend wirken.
Die Musik von Peter Gahn - ein Mix aus vorproduziertem Sound und Livespiel von Cello (Mathias Hudelmayer) und Gesang (Susanne Weins) - bleibt trotz freier Tonalität und Rhythmik dynamisch dezent-entrückt und stützt den Performer in keiner Weise. Dies vielleicht das größte Manko.
Formale Unstimmigkeiten - geht er nun ab oder nicht? - kumulieren am Ende in einer ersten Verbeugung, die ohne Applaus bleibt, beim zweiten Anlauf sollte das Publikum dann mit Beifall aber nicht geizen.