Zoo Krefeld Lichtblick: Shomari kann wieder sehen

Der Vater tot, die Familie gesundheitlich angeschlagen — so sah es bei den Guereza-Affen aus. Doch nun haben alle wieder Spaß.

Foto: Andreas Bischof/Anne Grewer (2)

Sie ist verzwickt, die Familiengeschichte der Guereza im Krefelder Zoo. Viele Jahre herrschte Harmonie bei der kleinen Affengruppe. Aber nach dem Tod des Vaters Kuomi im Jahr 2015 ist die „jahrzehntelang fantastische Familie vom Glück verlassen“, wie es die Zoosprecherin Petra Schwinn formuliert. Drei Weibchen starben wegen Altersschwäche oder Krankheit, so wie Tine im vergangenen Jahr. Die beiden neu hinzugekommenen Jasira, geboren 2013 und 2016 aus dem Kölner Zoo nach Krefeld gezogen, und Esi, 2012 in Krefeld geboren, sind noch sehr jung.

Foto: Andreas Bischof/Anne Grewer (2)

„Das heißt, dass wir kein erfahrenes Weibchen haben“, fasst Schwinn zusammen, „die Familienstruktur ist einfach zusammengebrochen.“

Foto: Andreas Bischof/Anne Grewer (2)

Hinzu kommen zwei Sorgenkinder, die — wie Esi — zum Nachwuchs des verstorbenen Kuomi gehören. Der acht Jahre alte Morani ist geistig zurückgeblieben. Und auch der vor zwei Jahren geborene Shomari verhielt sich merkwürdig, sprang beispielsweise sehr unsicher durch die Anlage. Wie sich herausstellte, litt der Kleine unter einem angeborenen grauen Star, wie er bei den Menschen eher im hohen Alter häufig ist, aber auch bei Kindern vorkommt. Shomari konnte deshalb nur Schatten erkennen. „Für ihn selbst war es nur bedingt ein Problem, weil er die eingetrübte Linse von Geburt an hatte und gelernt hatte, sich im Gehege irgendwie zurechtzufinden“, erzählt Schwinn, „er war ja auch lange mit seiner Mutter Tine unterwegs.“

Die Diagnose bedeutete jedoch für die ganze Gruppe, dass keine neuen Attraktionen wie Äste oder Hängematten in die Anlage durften, weil sich Shomari sonst eben nicht mehr hätte orientieren können. Und auch eine über die Jahre von den Zoobesuchern geliebte Attraktion musste wegen der beiden Sorgenkinder unterbunden werden. Ein Lieblingssport von Krefelder Guereza-Jungtieren war es, durch die Maschen ihrer Anlage - früher das Löwengehege - zu entwischen und Abenteuer zu suchen. Auch der zurückgebliebene Morani hatte diese Lücke schon mal genutzt. „Aber im Gegensatz zu den anderen fand er nicht wieder zurück“, berichtet die Zoosprecherin. Wie für ihn sei nach der Diagnose auch für den blinden Shomari klar gewesen, dass er „auf keinen Fall durch die Maschen schlüpfen durfte“. Im Gehege sorgt deshalb ein Innennetz mit kleineren „Löchern“ für den nötigen Ausbruchschutz.

Für den Augenkranken gab es zu seiner Sicherheit außerdem im Gehege noch ein kleineres Gehege. Klar war: Wenn Shomari durch eine Operation wieder sehen könnte, würde das für ihn ein schöneres Leben bedeuten und gleichzeitig für seine Familie ein abwechslungsreicheres möglich machen. Turnen, springen, baumeln, toben auf neuen und sich immer wieder verändernden Klettergelegenheiten mit Ästen, Seilen, Hängematten für alle.

Doch während Katarakt-Operationen nicht nur bei Menschen, sondern auch bei manchen Tieren Routine sind, gibt es beim Guereza ein Problem. Hunde und Katzen bekommen Halskrausen, damit sie ihre frisch operierten Augen in Ruhe lassen, und zwölfmal am Tag die nötigen Tropfen. „Das war bei Shorami beides nicht möglich“, sagt Petra Schwinn. Mit einer Halskrause hätte er beim Klettern hängen bleiben können. Augentropfen zu verabreichen wäre Pflegern vielleicht bei für medizinische Untersuchungen und Behandlungen trainierten Menschenaffen möglich, die zum Zaun kommen und das Auge still halten. Bei Guerezas eher nicht. Shomari deshalb täglich mehrfach einzufangen, das wollte man ihm nicht antun.

Doch die Veterinärinnen des Krefelder Zoos hatten Hoffnung auf einen Erfolg, darauf, dass Shomari sich nach der OP erst einmal nicht am Auge kratzt. Sie entschieden sich gemeinsam mit den Tierärzten der Klinik am Kaiserberg in Duisburg, die die nötigen Apparate und viel Erfahrung mit tierischen Star-Operationen besitzt, für die Behandlung. „Und er war ein vorbildlicher Patient“, resümiert Petra Schwinn.

So vorbildlich, dass schon wenige Wochen später sein zweites Auge operiert werden konnte. Mit einem Netzhautfunktionstest wurde danach festgestellt, dass der Affe nun zwischen 80 und 90 Prozent Sehfähigkeit hat. Jetzt steht der Umgestaltung des Geheges mit neuen Klettergelegenheiten nichts mehr im Weg. Noch in diesem Jahr soll das Zuhause von Familie Guereza verschönert werden.

Weniger gute Nachrichten gibt es allerdings bei der Suche nach einem neuen Familienoberhaupt. Denn die afrikanischen Stummelaffen in Krefeld gehören nicht zu den Colobus guereza, sondern zur sehr seltenen Unterart Colobus guereza kikuyuensis, benannt nach einem kenianischen Volk. Sie wurden wegen ihres besonderen Fells für die Herstellung von Pelzmänteln gejagt und galten schon einmal als komplett ausgerottet. „Sie werden selten in Zoos gehalten, und je seltener Tiere sind, umso schwieriger ist es, für die Zucht solche zu finden, die nicht miteinander verwandt sind“, sagt Schwinn. Die Suche nach einem Nachfolger für Kuomi, mit dessen Hilfe wieder eine harmonische Familie entsteht, geht weiter.