Mauerfall Arbeitsagentur in Beeskow macht zu: Zu wenig Arbeitslose

Krefeld · WZ-Serie: 30 Jahre Mauerfall In den 90ern lag die Quote bei 20 Prozent, aktuell liegt sie bei fünf bis sechs.

 Eine historische Aufnahme aus Beeskow mit Marienkirche.

Eine historische Aufnahme aus Beeskow mit Marienkirche.

Foto: Bedenbecker/Jens Uwe Bedenbecker

Die Kreisstadt Beeskow im Landkreis Oder-Spree liegt 80 Kilometer von Berlin entfernt und hat gerade einmal 8042 Einwohner. Nach Überzeugung ihres Bürgermeisters Frank Steffen werden es in Zukunft auch nicht weniger werden. „Die Zeit der Abwanderung liegt hinter uns“, sagt der SPD-Politiker. Im Jahr des Mauerfalls gab es mehr als 9000 Einwohner, bis 2014 fiel diese Zahl auf 7964.

Noch nie sei es Beeskow in seiner Geschichte so gut gegangen, berichtet der Bürgermeister beim Telefonat mit unserer Zeitung euphorisch. Und diese Geschichte geht immerhin bis auf die erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1316 zurück.

Die Bevölkerungszahl sei wieder stabil, der historische Stadtkern, zu dem eine gut erhaltene Stadtmauer, die Burg Beeskow und die zwischen 1370 und 1511 erbaute Marienkirche zählen, nach umfangreicher Restaurierung so schön wie noch nie. Die Infrastruktur sei gut — und auch die Arbeitslosigkeit stark gesunken: In den 1990er-Jahren lag die Quote zeitweise bei rund 20 Prozent, aktuell sind es nur noch fünf bis sechs.

Große Arbeitgeber der Region, wie die Stahlindustrie in Eisenhüttenstadt, hatten in der Hochphase der Krise kräftig Personal abgebaut: 10 000 Menschen arbeiteten dort Ende der 1980er-Jahre — heute sind es noch 3000. Aktuell hat allerdings die Beeskower Filiale der Arbeitsagentur dicht gemacht. Steffen: „Wir haben einfach zu wenig Arbeitslose.“

Der SPD-Politiker (er ist Vorsitzender seiner Partei im Landkreis Oder-Spree) verschließt die Augen gleichwohl nicht vor Problemen, die nach wie vor ungelöst sind. „Die demographische Entwicklung ist das größte dieser Probleme“, so der 1971 in Beeskow geborene Vater von vier Kindern. Neue Wohngebiete werden ausgewiesen, niedrige Zinsen und niedrige Bodenpreise könnten junge Familien anlocken. Dem entgegen steht das niedrige Lohnniveau, das sich deutlich unter dem im Westen befindet.

Frank Steffen hat nach der Wiedervereinigung zunächst Karriere in der Kreisverwaltung gemacht. 2010 zum Bürgermeister seiner Heimatstadt gewählt, wurde er 2017 für weitere acht Jahre im Amt bestätigt. „Meine persönlichen Erwartungen wurden erfüllt.“ Doch vielfach seien solche positiven Entwicklungen dem Zufall unterworfen gewesen. Der eine machte Karriere – und der Nachbar nebenan sei arbeitslos geworden. Das wirke bis heute nach.

Was sein Parteifreund Rolf Lindemann, Landrat des Oder-Spree-Kreises, bestätigt: „Viele Verletzungen im Einigungsprozess sind nicht verheilt.“ Die christliche Prägung der Menschen sei schon in der DDR-Zeit verloren gegangen, nach dem Mauerfall sei dann auch noch ihr politisches Weltbild ausgetauscht worden.

„Vor allem der Zusammenbruch der Wirtschaft in der DDR nach dem Mauerfall war und ist sehr bedrückend“, sagt nochmals Steffen. Vielfach sei die Jugend deshalb in den Westen abgewandert. „Davon hatten wir uns 1989/90 keine Vorstellung gemacht.“