Aufgeheizte Städte Grün für Abkühlung in tropischen Nächten

Krefeld · Die Firma Greenpass spürt mit ihrem Verfahren Hitzeinsel in der Stadt auf und gibt Tipps zur Klimaanpasssung.

Asphalt und Straßenschluchten ohne Grün, wie die Marienstraße in Fischeln, nehmen die Hitze des Tages auf und geben sie — wie in einem Backofen — bis tief in die Nacht an die Umgebung wieder ab. An sehr heißen Tagen kann es so in der Stadt zehn bis 15 Grad Celsius heißer sein als außerorts.

Foto: abi/Andreas Bischof

In tropischen Nächten liegen die Temperaturen über 20 Grad Celsius. Tagsüber klettert das Thermometer auf weit über 30 Grad. So wie derzeit. Wer an solchen Tagen gegen Abend mit dem Fahrrad aus der Stadt raus fährt oder sich in seinen Garten oder in einen Park setzt, spürt schlagartig, dass es ein paar Grad kühler wird. „Unsere Städte überhitzen immer mehr. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land betragen im Mittel schon einige Grad“, sagt Peter Küsters, der das seit Jahrzehnten genau beobachtet. Der gelernte Landschaftsgärtner ist Spezialist für Bauwerksbegrünung, Mitbegründer des Wiener StartUp-Unternehmens Greenpass und berät große Bauträger und Kommunen, wie Quartiere klimaverträglicher werden können. „Wir müssen Städtebau neu denken“, so Küsters.

Der Klimawandel ist längst spürbar in diesen Breitengraden. Nach einer Analyse des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucher gibt es in diesen Sommern inzwischen elf Tage mehr mit Temperaturen von über 25 Grad Celsius als noch vor gut 100 Jahren. Und auch Starkregen hat zugenommen. Küsters’ Ziel ist deshalb eine Klimawandel-Anpassung, damit die Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt nicht zu stark werden.

Welche Folgen die Erderwärmung hat, veranschautlicht Küsters am Beispiel Berlin. Danach wurden dort in der Hitzeperiode 2018 insgesamt 47 Verkehrstote und 480 Hitzetote gezählt. „Überwiegend ältere und kranke Menschen können sich des nachts nicht mehr erholen. Doch auch Jüngere reagieren körperlich und mental auf die Hitze“, sagt Küsters. Es gibt Erhebungen, wonach sich tropische Nächte auf die Häufigkeit von Verkehrsunfällen auswirken. „Wir würden uns nicht nur wohler fühlen, wenn es tagsüber kühler wäre, sondern das hat auch – ganz klar – messbare ökonomische Auswirkungen.“ Auch im für Krefeld verabschiedeten Klimaschutzkonzept ist das Ziel verankert, die „Wärmeinseln“ in der Stadt ’runter zu kühlen.

Fassaden- und Dachbegrünung sowie Bäume als Klimaanlage

„Grün ist das effizienteste Mittel, Temperaturen in der Stadt zu verringern“, erklärt Küsters. Zum einen beschatten Bäume ihre Umgebung, zum anderen kühlen sie durch die Verdunstung von Feuchtigkeit über ihre Blätter die Umgebung ab. „Ein großer Baum mit mehr Blattoberfläche ist dabei am wirkungsvollsten; doch dort, wo keine neuen Bäume wegen Versorgungsleitungen im Erdreich gepflanzt werden können, sind Fassaden- und Dachbegrünungen eine Alternative“, sagt Küsters. Vor allem auch deshalb, weil zehn bis 15 Prozent der hiesigen, alten Bäume durch den Klimawandel absterben werden und junge Bäume wegen der anhaltenden Trockenheit gar nicht mehr so tief wurzeln und somit wachsen können wie ihre Vorgänger.

Greenpass hat ein Verfahren entwickelt, mit dem der Ist-Zustand in den Städten gemessen und Schwachstellen, wie zum Beispiel Wärmeinseln, überflutungsgefährdete Bereiche oder Bereiche mit zu starken oder zu schwachem Wind lokalisiert werden können. In den grafisch aufbereiteten Klima-Simulationen zeigen sie die Veränderungen durch zusätzliche Bepflanzung, Wasserelemente und eine bessere Belüftung der Umgebung auf. „Bei sehr guten Optimierungen lässt sich hierdurch ein Unterschied von drei Grad zwischen einströmender Luft aus den Nachbarquartieren und dem Abluftstrom erreichen. Das sind gefühlt zwölf Grad“, erklärt Küsters. Optimale Planungen mit grünen und blauen Infrastrukturen wirken also wie eine natürliche Klimaanlage für die Stadt.

In Wien hat Greenpass mithilfe seines Verfahrens von Beginn an den neuen Stadtteil Biotope City mitgeplant, sein Musterprojekt. Das vor zwei Jahren gegründete Unternehmen ist in ganz Europa aktiv und hat bisher mehr als 70 Projekte in zehn Ländern erfolgreich unterstützt. „Für die Städte Duisburg und Essen haben wir gerade Voruntersuchungen gemacht, wie man durch Begrünung Teile einzelner Straßen abkühlen könnte“, deutet Küsters an. Bund und Land haben aktuell ein Förderprogramm aufgelegt, mit dem sie 270 Millionen Euro Fördergelder für die Begrünung der Emscher-Städte zur Verfügung stellen. Es ist auf zehn Jahre angelegt und richtet sich an private und institutionelle Investoren. „Auch die Investoren haben erkannt, dass ein verbessertes Klima und die geringere Verbrennung fossiler Brennstoffe und somit Einsparung von CO2 nicht nur Imagepflege für sie als Bauherren ist.“ Sondern vor allem Kosten spare.

Die Grünen wollen im kommenden Planungsausschuss eine Mehrheit dafür finden, dass Klimasimulationsprogramme zur Auflage von Baugenehmigungen werden. So könnten laut Fraktionsvorsitzender Heidi Matthias Schwachstellen von Planungen in Bezug auf das Mikroklima aufgespürt und verhindert werden. „Damit wäre Krefeld sogar bundesweit die erste Stadt, die dieses moderne Instrument zur Klimaresilienz einführen würde“, sagt Küsters.