Foto-Reportage Mit dem WZ-Fotografen auf der Jagd nach dem perfekten Bild

WZ-Fotograf Dirk Jochmann hat die Seiten gewechselt und bei einem Workshop mitgemacht — als Bildexperte und als Texter.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Klapp, klapp, klapp — wie die Flügelschläge eines vorbeifliegenden Vogelschwarms schwillt das Geräusch der auslösenden Kameras an und verstummt nach einigen Sekunden wieder.

Foto: Dirk Jochmann

Die zweijährige Amelie lacht immer noch. Obwohl zwölf Fotografen ihre Objektive auf sie und die dreijährige Schweizer Schäferhündin Milka richten. Die Workshop-Teilnehmer haben die Hoffnung, den perfekten Moment festzuhalten. Mit etwas Abstand beobachtet Elena Shumilova die Szenerie. Die russische Fotografin publiziert ihre Aufnahmen international in Magazinen, gibt Workshops in den USA, China und Europa. Und nun ist sie mal wieder für zwei Tage in Deutschland, genauer gesagt auf Gut Heimendahl zwischen Krefeld und Kempen, um Foto-Fans ihr Fachwissen zu vermitteln.

Foto: Dirk Jochmann

„Schreib’ mal einen Erfahrungsbericht aus der Sicht eines Fotografen darüber.“ Mit diesen Worten hatte mir mein Redaktionsleiter die Pressemitteilung in die Hand gedrückt. „Na gut, also mal aus meiner Perspektive und nicht nur durch den Kamerasucher“, habe ich mir gedacht.

Kursleiterin Elena Shumilova begann erst vor fünf Jahren mit dem Fotografieren, vornehmlich wählt sie Kinder und Tiere als Motive. Für einen Außenstehenden mag das niedlich anmuten. Fotografen wissen, dass es eine Herausforderung ist. Wer mit Kindern und Tieren gleichzeitig arbeitet, braucht viel Geduld und einen sensiblen Finger auf dem Auslöser. Ähnlich wie beim Sport kann man nur auf den richtigen Moment warten. Bei dem Gedanken habe ich die Stimme unseres Sportredakteurs im Ohr, der von mir jedes Wochenende das ultimative Bild wünscht: „Weiß Du, so halt!“

Die Workshop-Theorie reißt mich aus meinen Gedanken: Bildaufbau, Blendeneinsatz, Bildgestaltung, Kameraeinstellung und Lichtführung werden besprochen. Dann ist die Praxis dran. Mit meiner vier Jahre alten Kamera in der Hand, die schon sehr starke Gebrauchsspuren aufweist und mehr als 300 000 Bilder hinter sich hat, warte ich mit den zwölf Teilnehmern. Auf meiner Kamera ist mein Lieblingsobjektiv — 16 bis 35 Millimeter Brennweite, Lichtstärke 2,8 — geschraubt. Das bietet Tiefe und man kann schön nah an die Motive rangehen.

Ich blicke mich nach den anderen Fotografen um. Ihr Equipment kann sich sehen lassen: Zwei bis drei Objektive von zehn bis 200 Millimeter Brennweite liegen zum Wechseln in den Taschen oder Rucksäcken. Mich interessiert, mit welcher Motivation, welchem Ziel sie hierhergekommen sind. „Ich fotografiere seit 2008“, erzählt Wolfgang Derksen. Nachdem der Düsseldorfer früher viele Urlaubsfotos geschossen hat, fotografiere er jetzt mit Vorliebe seine beiden Kinder, drei und ein Jahr alt.

„Ich verspreche mir von diesem Workshop viele Tricks und Tipps, wie ich meine Kinder besser fotografisch einfangen kann“, sagt Derksen. Das seien ihm die 500 Euro für die Teilnahme wert. Dann fällt mir die Kamera von Michael Bassier auf, die man nicht bei einem Amateurfotografen vermutet. Auf dem Kameragehäuse steht „Hasselblad x1D“. Hasselblad, das ist eine Art Zauberwort, etwas Magisches, mein Herz schlägt plötzlich schneller.

Dirk Jochmann, WZ-Fotograf, über die Atmosphäre beim Workshop

Die Kamera mit 50 Megapixeln und die drei Objektive, die er mit sich führt, garantieren überragende Bildqualität. Rund 20 000 Euro hat Bassier für seine Ausrüstung berappen müssen. Schöne Dinge haben nun mal ihren Preis. Jetzt geht es los. Elena Shumilova gibt auf Russisch und Englisch Tipps zur Kameraeinstellung. Die werden noch schnell übersetzt und schon schwärmen die Fotografen aus.

Irgendwie liegt Spannung in der Luft, so eine Art Jagdinstinkt. Jetzt nur nicht den Augenblick verpassen. Der Tunneleffekt setzt ein. Zwölf ambitionierte Fotografen sind auf der Suche nach dem perfekten Bild.

Die zweijährige Amelie sitzt auf der Treppe zur Haustür und Schäferhündin Milka liegt neben ihr. Zwischendurch bekommt Amelie Tipps von Nadine Feil, der Veranstalterin des Workshops. „Guck mal hier hin“ oder „umarme mal den Hund“. Jeder Fotograf ist jetzt auf der Suche nach der optimalen Position. Einer steht, ein anderer hockt und ein Dritter liegt flach auf dem Boden, alle dicht aneinander gedrängt.

Klapp, klapp, klapp. Unter den Fotografen wird inzwischen gefachsimpelt und ich bin mittendrin. Es wird diskutiert, was denn wichtiger sei, das Foto mit Gestaltung und Perspektive oder die digitale Nachbearbeitung. Schnell einigt sich die Runde auf 70 Prozent Bild und 30 Prozent Bildbearbeitung.

Jetzt juckt es auch mir wieder im Finger. Es wird Zeit, ein paar Fotos zu machen. Beim nächsten Set versuche ich, zwischen den Teilnehmern einen Platz zu ergattern. Veranstalterin Nadine Feil und Fotografin Elena Shumilova geben wieder Tipps und Anregungen für schöne Aufnahmen. Höflich stelle ich mich in die Gruppe, die mir nur zögerlich ein wenig Platz macht.

Wir stehen hier zwar nicht an einem roten Teppich in Monte Carlo, Los Angeles oder New York, aber irgendwie gilt weltweit die gleiche Fotografenüberzeugung: Hier stehe ich — und sonst kein anderer. Leider stehe ich nicht so optimal, wie ich es gerne hätte. Deshalb navigiere ich meine Kamera durch die Arme und Beine einiger Gruppenmitglieder, um irgendwie in Bodennähe zu gelangen. Die Situation hat etwas vom Gesellschaftsspiel Twister. Jetzt noch das Objektiv in Richtung Haustür mit Kind und schnell ein paar Mal blind auf den Auslöser gedrückt. Geht doch.

Mein Handy klingelt, die Redaktion mit einem Auftrag. Dringend. So endet der Workshop plötzlich für mich. Die Arbeit ruft. Der Workshop hat mir das ein und andere wieder ins Bewusstsein gerückt. Gerne wäre ich noch länger geblieben. Die drei Stunden sind nur so verflogen.

Mit schönen Bildern auf meiner Speicherkarte und tollen Gesprächen mit Gleichgesinnten im Kopf steige ich in mein Auto. Da fällt mir wieder der Wunsch meines Sportredakteurs ein.

Na, vielleicht klappt es mit der eierlegenden Wollmilchsau ja nächstes Wochenende, denke ich mir, bevor ich den Motor starte. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Und bin wieder auf der Jagd nach dem nächsten Bild.