Rassismus Muslime in Krefeld sind besorgt über den Rassismus im Alltag
Krefeld · Anschläge auf Moscheen hat es in der Stadt noch nicht gegeben. Aber dass zum Beispiel Frauen mit Kopftuch angespuckt werden, ist keine Seltenheit. Der Staatsschutz hält vor allem die NPD im Blick.
Mit einem Gedenkmarsch für die Opfer des Terroraktes von Hanau hat die Union der türkischen und islamischen Vereine in Krefeld und Umgebung kürzlich ein klares Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus gegeben. Doch wie bedroht fühlen sich hier Menschen mit Migrationshintergrund? Könnte sich eine Tat wie in Hanau, bei der neun Menschen mit ausländischen Wurzeln den Tod fanden, auch in Krefeld ereignen?
Der mutmaßliche Täter von Hanau war als Sportschütze Inhaber einer Waffenbesitzkarte, auf der zwei Waffen eingetragen waren. In Krefeld sind nach Auskunft der Polizei derzeit 8765 Waffen registriert. „1599 Krefelder sind im Besitz mindestens einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe“, erklärt eine Sprecherin der Behörde. Man unterscheide zwischen einem „Waffenschein“ (Führen von erlaubnispflichtigen Waffen) und einem „Kleinen Waffenschein“ (Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen).
Damit man einen Waffenschein erhält, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu zählen die Vollendung des 18. Lebensjahres und der Besitz der erforderlichen Zuverlässigkeit sowie der Nachweis des Bedürfnisses – etwa als Bewachungsunternehmer. Eine Waffenbesitzkarte erhalten etwa Sportschützen: Sie dürfen Schusswaffen haben, sind aber nicht berechtigt, diese mit sich zu führen. Die politische Gesinnung wurde in der Vergangenheit bei der Erteilung einer Waffenerlaubnis nicht geprüft. Das hat sich im Vorjahr durch eine rechtliche Verschärfung verändert. Nun wird der Verfassungsschutz befragt, bevor eine Waffenerlaubnis erteilt wird.
Zudem kann auch nachträglich eine waffenrechtliche Erlaubnis aberkannt werden. Nach einem Bericht von „Zeit online“ sei zum Beispiel NPD-Mitgliedern wegen ihrer Mitgliedschaft schon die Waffenerlaubnis entzogen worden – nach Angaben der Polizei allerdings nicht in Krefeld.
Der NPD-Kreisverband Krefeld/Kleve ist im Zuständigkeitsbereich der Polizei Krefeld aktiv. In den vergangenen Jahren sei er mit einzelnen Aktionen (Versammlungen) in Erscheinung getreten, berichtet die Polizeisprecherin. „Diese Versammlungen wurden in der Regel durch die Kriminalinspektion Staatsschutz begleitet. Gewalttätige Ausschreitungen haben wir nicht festgestellt.“ Weitere Fälle von Rechtsextremismus nennt die Behördensprecherin nicht.
Der Alltag der Muslime in Krefeld kennt allerdings islamfeindliche Entwicklungen. „Daher ist die muslimische Community sehr besorgt. Noch 2018 forderte ein AfD-Politiker den Boykott türkischer Läden – und heute sprechen wir über das Malbuch der AfD mit volksverhetzenden Bildern“, sagt Taibe Akdeniz, stellvertretende Vorsitzende der Union der türkischen und islamischen Vereine. Der Anschlag in Hanau fühle sich für Krefelder Migranten bedrohlich nah an.
Angriffe auf die Mitgliedsvereine und Moscheen habe es im vergangenen Jahr nicht gegeben. Hier sei man im engen Austausch mit der Krefelder Polizei. Allerdings gebe es sicher eine hohe Dunkelziffer bei rassistisch motivierten Straftaten. „Vor allem sichtbare Muslima sind durch ihr Kopftuch häufiger von rassistischen Angriffen betroffen“, berichtet Akdeniz: „Allein aus meinem persönlichen Umfeld kenne ich zwei Frauen, die aufgrund ihres Kopftuches auf offener Straße bespuckt wurden. Beide haben den Fall leider nicht angezeigt.“
Beispiele für Alltagsrassismus gebe es viele. „Das fängt teilweise bereits in der Schule an, wenn ein Schüler von seinem Lehrer aufgefordert wird, zu der Politik seines Migrationslandes Stellung zu beziehen.“
„Wenn Identitäten zur Angriffsfläche werden, müssen wir uns Sorgen um unsere Gesellschaft machen“, betont Akdeniz. Sie freue sich daher sehr über die klare Haltung, die sich durch die Beteiligung am Trauermarsch gezeigt habe: „Fremdenfeindlichkeit hat in Krefeld keinen Platz.“
Das NRW-Innenministerium erklärt auf Nachfrage, die Landesregierung unternehme viel, damit rechter Hetze kein Raum gegeben werde. Unter anderem würden neue Stellen für Staatsschutz und Polizei geschaffen. Nach dem Anschlag in Hanau habe der Innenminister zudem in Auftrag gegeben, dass an Orten, an denen Muslime zusammenkommen, die Polizeipräsenz erhöht werde und die Behörden den Gemeinden Hilfe anbieten. Mit Blick aufs Waffenrecht sagt der Sprecher des Ministeriums: „Die aktuellen Vorkommnisse sind Anlass, erneut über eine Verschärfung nachzudenken.“ So könne beispielsweise die Einführung von psychologischen Zeugnissen als Standard bei der Zuverlässigkeitsprüfung helfen, den unrechtmäßigen Einsatz von Waffen zu verhindern.