Geburtstag Nach Regeln hat er nie gelebt

Dass er jetzt 100 Jahre alt ist, kann Rudolf Schmitz selbst kaum glauben. Fit ist er noch, auch wenn er nicht mehr auf Türme steigen kann.

Foto: abi

Krefeld. Nein, die Treppen hoch in die erste Etage machen ihm nichts aus. Seit fünf Jahren wohnt Rudolf Schmitz im Haus seiner Tochter Christa in Stahldorf und die wenigen Stufen zu seiner Wohnung nutzt er als tägliches Training. Gestern feierte Rudolf Schmitz seinen 100. Geburtstag und im Kreis seiner Gäste gab er zu, nicht mehr ganz so fit zu sein. „Auf Aussichtstürme mit 169 Stufen wie vor vier Jahren in Cottbus steige ich heute nicht mehr“, sagt der Jubilar schmunzelnd.

Tipps für ein langes Leben hat der gebürtige Krefelder nicht parat. „Ich habe nie nach Regeln gelebt“, erzählt er und vielleicht ist genau das sein Geheimnis. Viel gewandert ist er in seinem langen Leben. „Ich habe über 1000 Wanderungen gemacht“, sagt er. Den Rhein kenne er wie seine Westentasche.

Rudolf Schmitz über sein Faible für Stoffe und Stofftaschentücher

Vielleicht sind ja ein erfülltes Berufsleben und interessante Hobbys ein Garant für Langlebigkeit? Rudolf Schmitz ist gelernter Dessinateur, heute würde man dazu Textilmustergestalter sagen. Seine Ausbildung hat er an der Krefelder Kunstgewerbeschule gemacht. „Dessinateur leitet sich von dem französischen Wort Dessin ab“, erklärt Schmitz. Sein Arbeitgeber war die Weberei Michels und Kaufmann, nach dem Krieg firmierte sie unter dem Namen Lethen & von Zech. Es war eine der weltweit führenden Seidenwebereien, für die Rudolf Schmitz das Design für Krawattenmuster und Schals entwarf. Er hat heute noch ein Faible für schöne Stoffe. So trägt der Senior stets einen Anzug aus feinem Zwirn, geht nie ohne Krawatte aus dem Haus und liebt Stofftaschentücher. „Ich bin modisch ein Dinosaurier“, scherzt er.

Als er in Rente ging, beschäftigte er sich mit Wachskunst, entwarf und gestaltete Gießformen für Blockkerzen, Stadtwappen oder Notenschlüssel. Seine Arbeiten hat er in mehreren Ausstellungen in Krefeld präsentiert. Eine handgefertigte Kreidezeichnung im Wohnzimmer zeigt das Portrait seiner ersten Ehefrau Karola, die 1971 an den Folgen eines Unfalls starb. Rudolf Schmitz hat es nach einem Foto gezeichnet. Acht Jahre blieb der gebürtige Krefelder allein, dann heiratete er seine Jugendfreundin Anneliese. „Ich habe zweimal Silberhochzeit gefeiert.“ Seine zweite Frau litt zehn Jahre lang an Demenz, es war eine der traurigsten Zeiten in Rudolf Schmitz’ Leben.

Besonders stolz ist der heute 100-Jährige auf seine Weitsicht als 16-Jähriger: „Ich habe bei der Machtübernahme der NSDAP den Wahnsinn erkannt und habe in den folgenden zwölf Jahren nichts davon mitgemacht.“ Von Jugend an liebt er Musik. Bis heute ist er als Gitarrist bei Veranstaltungen aktiv, im Seniorenclub „Em Cavenn“ kann man ihn ebenso erleben wie im Verein Linker Niederrhein.

Dass Rudolf Schmitz 100 Jahre alt geworden ist, kann für ihn „fast nicht wahr sein“. Doch er muss es glauben. Glückwünsche von Krefelds Oberbürgermeister Frank Meyer, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Bundespräsident Joachim Gauck sind der beste Beweis, dass der Krefelder Jubilar jetzt einem äußerst elitären Zirkel angehört.