Opferschutz: Wenn die Gewalt ganz nah ist

Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt werden, brauchen meistens Hilfe von außen.

Krefeld. Nadja W. (Name von der Redaktion geändert) hat Angst. Angst, die Wohnung zu verlassen. Angst, dass ihren Kindern etwas passieren könnte. Angst, wieder das Opfer zu sein. Was die junge Mutter zu erzählen hat, klingt wie aus einem Horrorfilm:

Als sich die 29-Jährige mit ihren zwei Kindern (drei und eineinhalb Jahre) in ihrer Wohnung gerade für einen Besuch auf dem Spielplatz fertig machte, stürmte ihr Nachbar plötzlich herein.

Er schrie sie an, schlug sie und schubste Nadja ins Badezimmer. Dort tauchte er sie in die noch volle Badewanne. Nadja konnte sich befreien, versuchte ihre Kinder schützen. Doch ihr Nachbar, mit dem sie eine kurze Affäre hatte, boxte sie mitten ins Gesicht — schrie: „Ich bring dich um!“

Die Kinder weinten nicht, standen nur wie versteinert im Flur. Ihre Mutter schaffte es, zur Wohnungstür zu kommen und rief laut um Hilfe. Ein anderer Nachbar hörte sie und rief die Polizei.

„Ich habe die Sache total unterschätzt. Ich habe nicht auf die Warnungen von anderen gehört“, sagt Nadja W. Gegenüber anderen habe sich ihr Nachbar bereits häufiger gewalttätig gezeigt. Jetzt lebt die Krefelderin in ständiger Angst und fürchtet, dass sie vielleicht nicht mehr in ihrer Wohnung bleiben kann.

„Mein Nachbar darf sich uns nicht mehr nähern. Das wurde ihm auferlegt. Aber daran hält er sich nicht“, erzählt Nadja W. Sie fühlt sich nicht mehr sicher, fühlt sich von ihrem Nachbar, der direkt gegenüber wohnt, beobachtet. „Aber ich kann doch hier nicht ausziehen. Das ist doch für die Kinder ihr zu Hause“, sagt die Mutter verzweifelt.

So wie Nadja W. ergeht es vielen Frauen. Sie erleben häusliche Gewalt, oft sind auch Kinder direkt oder indirekt betroffen. Seit 2002 gibt es das Gewaltschutzgesetz. Darin verankert ist die Möglichkeit der Wohnungsüberlassung.

Haben Täter und Opfer einen gemeinsamen Haushalt, kann das Opfer den Täter für eine gewisse Zeit „rausschmeißen“. Die Dauer der Überlassung bemisst sich an der Schwere der Tat. Im Fall von Nadja hilft diese Regelung nicht, da der Täter ihr Nachbar ist und nicht die Wohnung mit ihr teilt.

„Wir gucken in so einer Situation als erstes, welche Schutzmaßnahmen die Frau ergreifen kann“, erklärt Christiane Vogelgesang von der Frauenberatungsstelle Krefeld. Der Frau würde dann zum Beispiel empfohlen, immer ein Handy dabei zu haben oder die Nachbarn für die Situation zu sensibilisieren. „Die Männer hören in der Regel nicht mit der Gewalt und den Drohungen auf. Da ist es sehr wichtig, dass sich die Frauen Hilfe holen.“

Geht bei der Polizei eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt ein, wird die Frauenberatungsstelle oder eine andere Fachstelle per Fax über den Vorfall informiert. „In einem Erstgespräch gucken wir dann, wie wir der Frau helfen können und erfragen, welche Geschichte hinter der Tat steht“, sagt Vogelgesang.

Im Anschluss an dieses Gespräch werden weitere Termine für Beratungen gemacht. Ziel ist es, die Frau zu stabilisieren und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. „Wir raten den Frauen immer, den Täter zu ignorieren und eine ganz klare Grenze zu ziehen“, so Vogelgesang. Nur so habe die Frau eine Chance, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen.