Desinfektionsmittel in Eigenproduktion So helfen Krefelds Apotheken in der Corona-Krise
Nachdem so langsam klar geworden ist, dass das Coronavirus auch in NRW für einen Ausnahmezustand sorgen wird, gab es einen Ansturm und dann waren alle Desinfektionsmittel und Masken weg – auch in Krefeld. Einige Experten für Arzneien stellen nun auch selber Desinfektionsmittel her – teilweise im großen Stil.
„Die Hamsterkäufer“ seien keine Stammkunden gewesen, erklärt Stefan Neukirch, Inhaber der Rosen-Apotheke am Ostwall in Krefeld. Es seien Leute gewesen, die sich tagelang immer wieder die gleiche Frage gestellt hätten. Die vermutlich alle Apotheken und Drogeriemärkte der Stadt abgeklappert haben. Mittlerweile habe sich diese Lage wieder entspannt.
Auch von Krefelder Arztpraxen und Seniorenheimen habe es in der Folge Nachfragen gegeben, da die Bestände schwanden. Nachdem die industriell hergestellten Desinfektionsmittel knapp wurden, hat die Rosen-Apotheke reagiert. Am 12. März war es dann soweit: „Die erste Charge des von uns nach WHO-Rezeptur hergestellten Handdesinfektionsmittels ist fertig“, schrieb die Apotheke bei Facebook. Eine Sonderregelung macht zurzeit möglich, dass Apotheken Desinfektionsmittel herstellen dürfen.
1000 Liter pro Woche werden in Uerdingen produziert
Reagiert hat auch die Apotheke am Marktplatz in Uerdingen. „Wir produzieren 1000 Liter pro Woche“, erklärt Roman Bastian, der Inhaber der Apotheke, die im mittleren der drei historischen Herberzhäuser untergebracht ist. Teilweise werde „die ganze Nacht“ abgefüllt. In größeren Mengen beliefert würden vorrangig zum Beispiel Pflegeeinrichtungen, Arztpraxen oder Hebammen, aber auch andere Einrichtungen in Krefeld, die einen entsprechenden Bedarf haben.
Außerdem würden Kunden in einem Umkreis von 100 Kilometern beliefert. Aus Leverkusen habe es beispielsweise eine größere Bestellung für Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs gegeben. Schon früh habe sich der Uerdinger Apotheker mit dem Thema befasst und entsprechend Rohstoffe bestellt. Denn die hohe Nachfrage sei für ihn „mit Ansage“ gekommen.
An Privatpersonen gebe er Desinfektionsmittel nur in kleinen Mengen ab. Oder es wird gespendet – zum Beispiel zehn Liter an einen Kindergarten. Der Liter koste derzeit 19,95 Euro, was mit den hohen Rohstoffpreisen zu tun habe. „Wir versuchen, die Quelle immer am Laufen zu halten“, sagt Bastian mit Blick auf etwaige Lieferschwierigkeiten bei Rohstoffen oder Fläschchen. Der Bedarf sei wie bei Masken „wahnsinnig“.
Auch Stefan Neukirch und seine 13 Mitarbeiter arbeiten in Doppelschichten oder außerhalb der Öffnungszeiten, um die zu versorgen, die auf das Mittel angewiesen sind. Neben den niedergelassenen Ärzten oder den Seniorenheimen können dazu auch private Kunden gehören. Zwei Dinge sind dem Apotheker aber wichtig: An private Kunden wird es nur ausgegeben, wenn sie – zum Beispiel aufgrund einer schweren Erkrankung – zu einer Risikogruppe gehören. Außerdem sollte niemand auf die Idee kommen, eines der Rezepte der Weltgesundheitsorganisation in den eigenen vier Wänden umzusetzen. Das könne aufgrund der hohen Brennbarkeit des verwendeten Alkohols böse Folgen haben, außerdem brauche es zum Beispiel speziell gereinigtes Wasser, das nicht aus der Leitung komme.
Die Rosen-Apotheke und die Apotheke am Uerdinger Marktplatz sind keine Einzelfälle, erklärt Mareile Schlebes, Inhaberin der Apotheke am Moritzplatz und Sprecherin der Apotheken in Krefeld. Alle Kollegen würden ihr Möglichstes tun, um die zu versorgen, die es brauchen. Und sich gegenseitig zu unterstützen. Von einem Kollegen habe Schlebes zuletzt zum Beispiel Alkohol bekommen, um ebenfalls Desinfektionsmittel für Seniorenheime oder Patienten, die über die Pflegeversicherung versichert sind, beliefern zu können. Um Desinfektionsmittel herstellen zu können, würden zurzeit nicht die Rohstoffe fehlen, sondern die Fläschchen, um es abzufüllen. Handelsübliche Einweggläser könnten zum Beispiel aus Sicherheitsgründen nicht genutzt werden. Es bestehe die Gefahr, dass Kinder aus Versehen Desinfektionsmittel trinken.
Trotzdem geht Schlebes davon aus, dass sich auch die Versorgung mit Desinfektionsmittel nach dem ersten Ansturm weiter normalisieren wird. Auch bei Arzneimitteln wie bei Bluthochdruckpräparaten oder Schmerzmitteln sei es zeitweise zu Hamsterkäufen gekommen. Seit Montag habe sich aber auch in dem Bereich die Nachfrage beruhigt.
Seit dem Start sind alleine in der Rosen-Apotheke nach deren Angaben etwa 400 bis 500 Liter des Desinfektionsmittels hergestellt worden. Bedient werden damit nur Kunden in Krefeld, erklärt Inhaber Stefan Neukirch. Da die eigene Herstellung etwas teurer sei und die Rohstoffpreise aufgrund der Nachfrage auch anziehen, sei der Verkaufspreis etwas höher, aber fair – ungefähr im Bereich von handelsüblichen Desinfektionsmitteln, die vor der Krise noch verfügbar waren. Vor der Krise hätten Fachgruppen wie Ärzte oder Seniorenheime gar nicht zu den Kunden in diesem Bereich gehört. Nun werden sie versorgt, weil es bei den Großhändlern nichts mehr gebe. Die Möglichkeit, vor Ort reagieren zu können, unterscheide die Apotheken vom Versandhandel, betont Neukirch.
Sein Team sieht das offenbar ähnlich. Trotz der Mehrarbeit seien alle hochmotiviert, es schweiße zusammen, etwas Sinnvolles zu tun, auch wenn man abends sehr müde ins Bett falle. Der Dank für den Einsatz von Apotheken wie der Rosen-Apotheke kommt von den Kunden. Sie seien auch froh, dass Arzneimittel von den Experten nach Hause geliefert werden, um das Risiko zu senken. Auch die Maßnahmen in der Apotheke kommen gut an, sagt Neukirch. Wie bei anderen Apotheken wird zum Beispiel darum gebeten, dass Kunden in begrenzter Zahl eintreten.
Der Apotheker hat die Hoffnung, dass die Krise den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt. Zeichen dafür sehe er verschiedene. Ein Beispiel sei die Glasscheibe, die zur Sicherheit in der Apotheke angebracht wurde. Der Glaser sei vor zwei Wochen „sofort“ zum Ausmessen gekommen, drei Tage später sei die Schutzmaßnahme fertig gewesen. Außerdem gebe es noch viele weitere Kollegen in Krefeld, die ähnlich handeln, zusammenhalten und sich genauso um ihre Kunden kümmern. Das zeige auch, wie wichtig in Krisenzeiten eine Vor-Ort-Versorgung ist.