Songs voll Herzschmerz und Ironie
Liedermacher Stephan Sulke gastiert im ausverkauften Saal der Synagoge.
Die „Uschi“, die „kein Quatsch“ machen soll, kommt schon nach der Pause dran. Stephan Sulke (73) weiß, was sein mit ihm gealtertes Publikum hören will. Zudem beweist es, dass es den Text sogar mitsingen kann. Die Besucher klatschen bereits frenetisch, als der kleine Mann die Bühne im ausverkauften Saal in der Synagoge betritt. Ein Flügel steht dort und ein elektrisches Tasteninstrument auch, und ab und zu begleitet er sich auf einer Gitarre.
Ein großer Sänger war der in Shanghai geborene und in der Schweiz aufgewachsene Liedermacher nie. Er haucht seine Texte heiser und nuschelnd ins Mikrofon, artikuliert sich eher nach innen und könnte einem Logopäden auskömmliche Beschäftigung bieten. Aber es sind diese Texte, die kleinen Dramen der Alltagsbeziehungen, in denen sich jeder wiederfinden kann.
Sulke ist der Troubadour der unglücklich Liebenden, gefällt sich in der Weltschmerz-Attitüde. Die neue CD „Liebe ist nichts für Anfänger“ fasst seine Weltsicht und seine Lebenserfahrungen prägnant zusammen. „Ich geb’ mein Herz nie mehr“, denn was er geweint hat, reicht für zehn, behauptet er. „Blöde“ heißt ein Song, den er nach einem Spruch über den lieben Gott und einem Lob auf den „Onkel May“, mit dem er gerne noch mal reiten möchte, intoniert. Karl May ist das Stichwort, zu dem — wer hätte das gedacht — Joachim Watzlawik nach der Pause Marie Versini, die 1963 Winnetous Schwester war, erscheinen lässt. „Tausendmal“ gesucht hat Sulke die Frau, die er immer noch liebt, immer wieder. Bei ihm geht es nicht gut aus mit der Liebe, aber das wäre ja auch langweilig. Das Scheitern nährt den melancholischen Zweifel an der ewigen Liebe.
Von Zeit zu Zeit brauche er ein bisschen Liebe, singt er, aber auch dieser Wunsch kommt aus einer traurig gestimmten Seele. „Ich wollte mit meinen gescheiten Texten ein intelligentes Publikum erreichen“, sagt er zwischendurch. So wie er mit der Uschi den „Gleichberechtigungsfimmel“ thematisierte, so parodiert er mit der „Sauerstoffbenutzungsordnung“ den Umweltschutz. Ironie kann er nämlich auch, aber die Witze, die er glaubt erzählen zu müssen, gehören nicht zu den neuen.
Mehr Applaus bekommt Sulke für „Denk an mich, ich sing für Dich“, denn diese poetischen, leider unerhörten Schwärmereien sind nostalgisch aufgeladen und laden zur Identifikation ein. Gegen Ende des Auftritts bekommt er von Michael Gilad, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, ein Glas Rotwein auf die Bühne gebracht. Wenn der liebe Gott gewollt hätte, dass die Menschen Weißwein trinken, hätte er nicht die roten Trauben gemacht, kommentiert Sulke die Geste. Zum Zugabenteil gehört schon das Lied von der Zeit, die „die schönste aller Zeiten war“, mit der Aussicht auf die Liebe. „Das muss doch gehen.“
Auch „Der Mann aus Russland“, eine Thekenbekanntschaft (1977), kommt noch. Darin verarbeitete Sulke die Erkenntnis, dass dieser Mann genauso lachen und weinen konnte, „genau wie ich und Du“. Aber dann ist der Auftritt beendet, Sulke kommt nicht mehr auf die Bühne. Die Bitte aus dem Publikum, noch von „Lotte“ zu singen, erfüllt er nicht. Seit 1976 fragt er, „Was machen wir nu, wo gehen wir nu hin“, eine Frage, die auch jetzt nicht beantwortet wird.