Krefeld Stadtrundgang: Auf den Spuren der Ziellenbachs

Roland Krause ist in die Rolle von Hermann Ziellenbach geschlüpft und gab so Einblicke in die interessante Familiengeschichte.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Als Matthias Ziellenbach zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach Krefeld kam, ahnte er wohl kaum, dass er und seine Nachfahren der damaligen Kleinstadt von etwa 5000 Einwohnern nachhaltig ihren Stempel aufdrücken würden. Geboren inmitten der feudalen Strukturen des damaligen Deutschlands, entschied sich Ziellenbach dazu, in das von Frankreich besetzte linksrheinische Gebiet auszuwandern. „Liberté, Egalité und Fraternité“ sollten ihm den sozialen Aufstieg ermöglichen, der ihm in der Ständegesellschaft Deutschlands wohl verwehrt geblieben war.

Mit Zylinder und Wanderstab zurück in die Vergangenheit

Nachdem er im Jahre 1804 als gelernter Schreinermeister in Krefeld eintraf, eröffnete er gegenüber der Dionysiuskirche seinen ersten Betrieb. An selbiger Stelle erläutert heute sein Sohn den Krefeldern die Familiengeschichte. Dabei handelt es sich natürlich nicht um den 1881 verstorbenen Hermann Ziellenbach selbst, sondern um Roland Krause, der im Rahmen der „Krefeld — Meine Stadt“-Reihe der Volkshochschule in die Rolle des früheren Lokalmatadors schlüpft.

Mit seinen Führungen gewährt er den Besuchern umfangreiche Einblicke in die Historie der Ziellenbach-Familie sowie der Stadt Krefeld und berichtet lebhaft von dem politisch turbulenten 19. Jahrhundert, in dem die Familie nicht selten direkt in zeitgenössische Entwicklungen involviert war. Am Samstagnachmittag stand für Roland Krause eine Führung von gesonderter Bedeutung auf der Agenda — entstanden durch einen äußerst glücklichen Zufall. Denn vor wenigen Monaten lernte Krauses Tochter ein Mitglied der Familie Ziellenbach kennen und berichtete von der Tätigkeit ihres Vaters. Kurz darauf organisierten die Nachfahren Matthias Ziellenbachs ein Familientreffen der besonderen Art. Somit fanden sich Samstag vierzehn Ziellenbachs dort ein, wo ihr Ahne vor mehr als 200 Jahren seine erfolgreiche Karriere begonnen hatte. Unter ihnen auch Ranko Ziellenbach, der mittlerweile in München lebt. „Trotzdem komme ich mehrmals im Jahr nach Krefeld“, sagt er. Die Verbundenheit zur Heimatstadt scheint noch immer zu bestehen.

Samt Zylinder und Wanderstab läutete Krause die Führung durch knapp zwei Jahrhunderte Familien- und Stadtgeschichte ein. Im Zuge dessen erwiesen sich stetige Parallelen zwischen den historischen Entwicklungen der Stadt und jenen der Familie. So profitierte die Schreinerei Matthias Ziellenbachs enorm von dem rasanten Bevölkerungswachstum und dem damit inhärenten Bauboom. Inzwischen war Ziellenbach bereits Vater von fünf Söhnen. Zwar übernahmen Carl und Wilhelm nicht die Schreinerei ihres Vaters, dennoch zog es sie ins Wirtschaftsgewerbe, was sie über Generationen hinweg weitergaben.

Hauptprotagonist der Führung war hingegen der älteste Sohn Hermann, aus dessen Perspektive Krause authentisch berichtete. Durch sein Engagement für die Arbeiterschaft und seine oftmals unorthodoxe Protestkultur gegenüber der staatlichen Obrigkeit, mauserte sich Hermann Ziellenbach in den 1840er Jahren zu einer schillernden Figur in Krefeld.

So entwickelte sich seine Gaststätte zeitgleich zur Revolutionsbewegung von 1848 zu einem Treffpunkt der frühen sozialdemokratischen und kommunistischen Szene der Stadt. Von dort aus organisierte Hermann Ziellenbach zahlreiche Aktionen und Proteste und war somit ein Dorn im Auge der preußischen Obrigkeit. Legendenumwoben ist noch immer seine angebliche Flucht in einem Bierfass über die niederländische Grenze, um sich seiner Verhaftung zu entziehen.

Gegen Ende der 1860er Jahre stand er als Kandidat der SPD zur Wahl für den Krefelder Sitz im Reichstag des Norddeutschen Bundes und verlor die Wahl mit einem Drittel der Stimmen denkbar knapp. Zwar erlebte die Familie Ziellenbach im Wirtschaftsgewerbe noch einige erfolgreiche Jahre, allerdings verflüchtigte sich ihr Einfluss nach dem zweiten Weltkrieg stetig.

Im Jahre 1979 verschwand der Betrieb nun aus dem Familienbesitz. „Aber vielleicht wird es noch mal was!“, konstatiert Roland Krause und beendet damit die gut zweistündige Führung durch die Familiengeschichte.