WZ-Bus an der Ritzhütte: Wohin mit den Kindern?

In den Häusern um die Ritzhütte wohnen viele Familien. Die Kleinen haben keinen Spielplatz treffen sich auf der Straße.

Krefeld. Kinderlachen hallt durch die Ritzhütte, ein Ball poltert auf dem Asphalt, einige Jungen und Mädchen spielen Fangen. Die vermeintliche Idylle ist ein Ärgernis für manche Anwohner, da der Pulk immer dort spielt. Das Problem: Es gibt keinen Spielplatz in der Nähe. Das einzig freie Grundstück gehört der Wohnstätte, die bald bauen möchte - noch ein Mehrfamilienhaus. "Städteplanerisch liegt hier einiges im Argen", sagt Sonja Wildt.

Die Gemüter sind erhitzt und Aggressionen stauen sich auf. Nicht nur auf Seiten der Erwachsenen. Emine Ayhan, neun Jahre alt, ist sauer: "Ich finde es blöd, dass hier nichts zum Spielen ist und jeder über uns schimpft und es Streit gibt, das wollen wir auch nicht." Die kleine Selin Biricik fügt hinzu, dass sie immer angeschrien werden. "Wir sollen leise sein." Einige Eltern können die Verärgerung nachvollziehen. Ursula Greiling beschreibt: "Die Kinder hocken auf den Fensterbänken und Treppen und hinterlassen Dreck. Ihnen fehlt eine Beschäftigung."

Nadir Biricik bekommt langsam das Gefühl, dass Kinder hier gar nicht erwünscht sind. Das will er sich nicht länger mit ansehen. "Die Hauptsache ist doch, die Kinder fühlen sich wohl", sagt er. Doch bisher sind die Anwohner mit ihrem Wunsch nach einem Spielplatz bei der Stadt gegen die Wand gerannt. "Wir bleiben hartnäckig", sagt der dreifache Vater.

Die Kinder der Ritzhütte haben keine Ausweichmöglichkeit. Johanna Kotterba hat wegen des Verkehrs auf der Oberdießemer Straße Angst, ihre neunjährige Tochter zum nächsten Spielplatz am Fütingsweg zu schicken. Das findet auch Anthony Agho verantwortungslos. "Die anderen Spielplätze sind zu weit weg und der Weg dorthin für die Kinder zu gefährlich", stellt er fest.

Da die Kleinen nicht wissen, wohin sie gehen sollen, breiten sie sich auf der Straße aus. Diese ist zwar eine 30er-Zone, "aber da hält sich keiner dran", sagt Marijana Zec. Der Nachwuchs spielt zwischen parkenden Autos, die zum Teil zu Mitarbeitern der anliegenden Firmen gehören. Der Frust der Kinder über die fehlende Rückzugsmöglichkeit äußert sich teilweise in Zerstörungswut. Monika Watterodt hat ein Gewerbe in der Nähe. Ihr wurden schon Autos durch Steinwürfe beschädigt.

Außerdem regt sie sich darüber auf, "dass die Kinder auf dem Gleis spielen", das über die Ritzhütte führt. Sie ist gegen einen Spielplatz. "Das habe ich noch nirgends gesehen, dass es einen Spielplatz direkt neben den Gleisen gibt." Miral Turhan will gerade mit einem Spielplatz die Kinder von den Gleisen weg bekommen. Sie ist gerade erst mit ihren beiden Töchtern hergezogen. Der nächste Spielplatz ist zu weit weg. "Wir müssen 20 Minuten laufen", sagt sie.

Anita Koch wirft ein: "Es ist hier zu sehr auf eine Stelle konzentriert." Vladimir Tocaj pflichtet ihr bei, "es ist alles zugebaut". Er habe schon vor Jahren bei der Stadt nachgefragt, warum kein Bebauungsplan vorhanden ist, die Hausnummer spiegeln das Chaos wider. Hausnummer 6 liegt neben der 19. Seine Tochter Angelika ist auf der Ritzhütte groß geworden. "Schon damals war wenig Platz zum Spielen. Aber das Problem hat sich verschärft", sagt Angelika Tocaj, die heute selber Mutter ist. Sie wäre sofort bereit, sich um den Spielplatz zu kümmern, falls er denn gebaut würde. Viele pflichten ihr bei. Potentielle Paten gäbe es in jedem Fall genügend.

Am schlimmsten findet Sonja Wildt, dass die Lage mit dem Entstehen neuer Mehrfamilienhäuser nur noch mehr zuspitzt: "Ein weiteres Mehrfamilienhaus wäre eine Katastrophe." Sie findet den Zustand jetzt schon traurig genug. "Mehr Wohnungen bedeuten mehr Menschen, mehr Autos und mehr Kinder, die nicht wissen wohin - und noch weniger Platz", pflichtet ihr Andrea Amendt bei. "Wo sollen die Kinder denn hin? Wir können sie doch nicht einsperren!" Gül Kuri weiß nicht mehr weiter. Oft genug sind ihre Kinder unglücklich und weinen, weil sie sich zurückgewiesen fühlen. "Wir stören die Leute überall und kriegen immer nur Ärger, wenn wir spielen", sagt Rabia, ihre zehnjährige Tochter.

Für Anke Agho wäre wenigstens die Spielstraße eine Alternative. Sie wirft ein: "Was wird mit den Kindern, die dauernd weggeschickt werden? Sie fühlen sich unerwünscht und sind frustriert." Sie kennt keine Ecke in Krefeld, wo es so zugeht, "jeder kann bauen, wo er will". Das Problem wird sich ihrer Meinung nach noch zuspitzen, da "aus den Kindern Jugendliche werden, die auch nicht wissen, wohin".

"Es muss so schnell wie möglich etwas passieren", sagt Anthony Agho. "Bevor wir hier einen Spielplatz bekommen, sind die Kinder längst groß", schaltet sich Kurt Greiling ein. Selbst wenn einige der jetzt betroffenen Kinder bald zu alt für den Spielplatz sind, lohne es sich, für die nächste Generation zu kämpfen, findet Agho. "Psychologisch ist das hier jedenfalls nicht gut für die Kinder", sagt er. "Wir müssen kämpfen, denn ohne Druck geht hier gar nichts." Auch Ufuk Biricik ist sauer: "In Deutschland wird immer davon gesprochen, dass es mehr Kinder geben muss, aber die werden dann überall vertrieben."