Aus der Talschenke wird ein Wohnensemble
Lange lag das Gebiet am Fuße des Hülser Bergs brach. Doch bis zum kommenden Jahr soll dort im Bauhaus-Stil gebaut werden.
Hüls. „Wann ist der Schandfleck endlich weg? Das ist es, was die Leute wissen wollen.“ Während der Kempener Immobilien-Makler Frank Markus das sagt, schaufelt ein Bagger Beton— und Mauerreste auf einen Kipper. Der Schandfleck, um den es geht, ist die Ruine der Talschenke am Fuß des Geröllhaufens Hülser Berg. Der Endmoräne, die eiszeitliche Gletscher hier vor 150 000 Jahren zusammengeschoben haben.
Der Bagger schafft Geröll aus den vergangenen Jahrzehnten weg und damit Platz für vier Doppelhaus-Hälften mit einer Nettogrundfläche von je 168 Quadratmetern, die im Stil des Dessauer Bauhauses errichtet werden sollen. Die Häuser bekommen neben der Talschenke eine eigene Zufahrt. Die wird künftig auf der linken Seite von einer Mauer begrenzt, die Wohnbebauung und Endhaltestelle des „Schluffs“ trennt. Wahrscheinlich im Sommer 2016 werden die Häuser bezugsfertig sein.
Mit dem Umbau des „alten Schätzchens“, der Talschenke, wird laut Markus im Januar/Februar kommenden Jahres begonnen. Das Gebäude wird kernsaniert, nur die Außenmauern bleiben stehen. Markus: „So lassen wir im vorderen Bereich an der Straße das Alte rein optisch bestehen — innen bauen wir natürlich modern.“ Die fünf Eigentumswohnungen mit einer Größe von je 100 bis 130 Quadratmetern sollen dann im Sommer 2017 fertig sein.
So alt wie der Berg ist das „Schätzchen“ nicht, hat aber auch in den wenigen Jahrzehnten eine wechselvolle Geschichte absolviert. Im Krieg und in der Nachkriegszeit wurde es als Dependance einer Kinderklinik genutzt, stand zuletzt zweieinhalb Jahre leer. Am 1. April 1969 meldete die Westdeutsche Zeitung dann: „Heute öffnet die Talschenke wieder ihre Türen.“ Helmut Donath und seine Frau Maria, die bis dahin die Gaststätte „Kamin“ an der Dionysiuskirche geführt hatten, etablierten neben der damals noch verwaisten Schluff-Haltestelle ein Café-Restaurant. Das lief bis zum 13. März 1980 nahezu reibungslos, dann titelte die WZ: „Talschenke sucht Pächter — Ab heute geschlossen“. Die Donaths gingen in den Ruhestand.
Schon im April, nach nur dreiwöchiger Pause, lief der Betrieb wieder an. Der neue Küchenchef hatte nach eigenen Angaben schon „Schnibbelskuchen für Konrad Adenauer gebacken“, eine Koch-Kunst, die von den niederrheinischen Ausflüglern dummerweise nicht goutiert wurde. Denn Anfang Oktober 1980 folgte in der Krefelder Ausgabe die WZ-Schlagzeile: „Pächter verschwanden bei Nacht und Nebel“. Sie hatten sich offenbar übernommen und das Weite gesucht. Die Talschenke stand zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres leer.
Erst Ostern 1985 erblühte das Lokal wieder, diesmal unter der Führung des Schwaben Heinz Hils. Jener wurde dann im Januar 1992 von Erich Waschatz abgelöst, der als Koch die Krefelder Häuser Schüten, Moerser Eck, Von-Beckerath-Stuben, Löwenburg und Ratsstuben auf seiner Visitenkarte vermerkt hatte. Viel Glück war offenbar auch ihm nicht beschieden, denn zwei Jahre später war bereits Ellen Nobel für die Speisekarte verantwortlich.
Der Höhepunkt des Niedergangs kam dann kurz vor Weihnachten 2005: „Talschenke ausgebrannt“, hieß es in der WZ — da stand die Traditionsgaststätte am Hülser Berg bereits seit drei Jahren leer.