Sie schmiss den Bischofshaushalt
Johanna Bongartz fing mit 64 Jahren bei Aachens Oberhirte Heinrich Mussinghoff an. Einmal im Jahr pilgert die fitte 83-Jährige von Kempen nach Trier.
Krefeld. Wenn man so will, war Johanna Bongartz ihrer Zeit weit voraus. Wenn heute übers Arbeiten bis 70 diskutiert wird, kann die Hülserin nur müde lächeln. Als sie vor gut zehn Jahren in den Ruhestand ging, hatte sie bereits ihren 72. Geburtstag gefeiert. Mit 64 Jahren, normalerweise die Phase des Renten-Countdowns, hatte sie noch eine neue Aufgabe angenommen. Und zwar eine ganz besondere: Johanna Bongartz war Haushälterin bei Bischof Heinrich Mussinghoff in Aachen.
Johanna Bongartz über ihren früheren Dienstherrn
Der Oberhirte in spe kam noch vor seiner Weihe im Februar 1995 aus Münster in die Kaiserstadt, um alles in Augenschein zu nehmen. „Dabei stellte sich heraus, dass eine Haushälterin schwer zu finden war“, erzählt Johanna Bongartz. Das Generalvikariat, die Verwaltung des Bistums, beschloss, bei der gelernten Lehrerin nachzufragen, die zu diesem Zeitpunkt die Leitung eines kirchlichen Tagungshauses in Aachen inne hatte. „Ich sagte ja und zog in eine kleine Wohnung des Bischofshauses“, so Bongartz.
Zu den Aufgaben der ledigen Hülserin gehörten unter anderem Kochen, Waschen und das Bewirten von Gästen. „Ein Bischof hat viele Besucher, die umsorgt werden müssen“, erzählt sie. Darunter waren kirchliche Würdenträger aus aller Welt, zum Beispiel die Apostolischen Nuntien, die Botschafter des Papstes in Deutschland.
Mit ihrem Dienstherren, den sie mit „Herr Bischof“ ansprach, hatte es Johanna Bongartz offenbar gut getroffen: „Der Bischof ist so pflegeleicht, was Essen und Trinken angeht“, schwärmt sie noch heute. „Es ist überhaupt kein Problem, ihn zu versorgen.“ Auch dass sich mit einem Mann aus dem Münsterland und einer Frau vom Niederrhein „zwei Welten“ begegneten, wie sie es formuliert, brachte keine Schwierigkeiten mit sich. „Das hat gut funktioniert“, betont sie. Man müsse halt in bestimmten Dingen Rücksicht nehmen, fügt sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Beispiel: „Man kann nicht von einem Münsterländer erwarten, dass er ständig Witze erzählt.“
So angenehm das Arbeitsklima auch war, die Arbeitszeiten waren nicht immer christlich. „Manchmal musste der Bischof um 4 Uhr morgens weg, manchmal kam er erst weit nach Mitternacht von einem Termin zurück“, erinnert sich Johanna Bongartz. Ehrensache, dass auch sie dann schon oder noch auf den Beinen war.
Sie selbst traf schließlich die Entscheidung, aus Altersgründen aus dem Dienst zu scheiden. „Ich wollte nicht, dass der Bischof irgendwann auf seine Haushälterin Rücksicht nehmen muss.“ Nötig wäre es wohl nicht gewesen: Bis heute pilgert die inzwischen 83-Jährige mit der Kempener Matthias-Bruderschaft nach Trier — 300 Kilometer in acht Tagen.