75 Jahre Edelstahlsiedlung - Ein echtes Schmuckstück
1936 wurden die ersten Häuser in Lindental bezogen. Das wird morgen gefeiert.
Krefeld. Seinen Garten liebt Norbert Kalwa besonders. „Es gibt doch nichts Schöneres, als vor der Arbeit noch schnell ein paar köstliche süße Kirschen vom eigenen Baum zu pflücken“, sagt der Vorsitzende der Siedlergemeinschaft Edelstahl, der nun bereits seit fast 20 Jahren in Lindental lebt. Damals war er auf der Suche nach einem Häuschen mit einem Garten, wo er eigenes Obst und Gemüse anpflanzen kann. „Und hier bin ich letztlich fündig geworden.“
Kein Wunder, denn ein Nutzgarten war damals noch Pflicht in Lindental — vorgeschrieben durch die Reichsheimstättenverordnung von 1920, die erst 1992 aufgehoben wurde. Das Architektentrio Dahmen, Notthoff und Geilen, das die Siedlung 1935 plante, sah auf jedem Grundstück genügend Platz für den Gemüse- und Obstanbau sowie für Ställe vor, in denen Schweine, Hühner oder Kleintiere gehalten werden konnten.
Auftraggeber waren die Deutschen Edelstahlwerke und die Wohnstätte, die für die Stahlarbeiter neuen Wohnraum in der Nähe des Werkes schaffen wollten. In drei Bauabschnitten wurden die Häuser für 259 Arbeiterfamilien gebaut, der erste war Ende 1936 fertiggestelllt.
„Bis heute ist die Edelstahlsiedlung Lindental ein echtes Schmuckstück, die grüne Lunge von Krefeld“, findet Norbert Kalwa. „Und diesen Charakter gilt es zu erhalten.“ Da in den vergangenen Jahren auch einige moderne Neubauten entstanden sind, die sich nicht nahtlos in das Siedlungsbild einfügen, hat die Bezirksvertretung West im Juni einer Erhaltungssatzung zugestimmt, die künftig — wenn der Rat im September kein Veto einlegt — die Bauweise in Lindental vorschreiben wird.
Doch der Stadtteil im Krefelder Südwesten ist nicht nur wegen seiner besonderen Architektur zur Heimat vieler Familien geworden. „Das Zusammengehörigkeitsgefühl bei uns ist groß“, sagt Kalwa. „Die Traditionen werden gepflegt.“
So gibt es zum Beispiel einmal im Jahr eine Weihnachtsfeier für die Lindentaler der älteren Generation. Der Weihnachtsmann kommt, die Kleinen aus dem Kindergarten führen ein kleines Theaterstück auf. „Das ist manchmal richtig ergreifend, weil diese Zusammentreffen den Menschen so viel bedeuten“, berichtet der 54-Jährige.
Im Sommer steigt jedes Jahr das Siedlerfest — am Samstag zum 75. Geburtstag von Lindental. „Eine Gemeinschaft muss sich treffen, damit sie lebendig bleibt“, sagt Kalwa. „Und die Menschen müssen das Gefühl haben, dass sie etwas bewegen können.“
Aus diesem Grund findet in Lindental regelmäßig eine Stadtteilkonferenz statt. Da kommen Vertreter der Schulen, Kirchen, der Pfadfinder, des Turn- und Tennisvereins, der Siedlergemeinschaft sowie der Jugendeinrichtung an der Erlöserkirche zusammen.
„Wir haben frühzeitig gemerkt, dass wir mehr erreichen können, wenn wir uns gegenseitig unterstützen“, sagt Kalwa, dem vergangenes Jahr für sein Engagement in Krefeld das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde. „Es geht auch darum, frühzeitig junge Leute mit einzubeziehen, damit sie Lust bekommen, die Dinge mitzugestalten.“
Bei Familien mit Kindern ist Lindental als Wohnort besonders beliebt — und das, obwohl es keinen Spielplatz gibt. „Das macht nichts“, sagt Kalwa. „Die Gärten bieten genügend Platz zum Toben. Und Kinderlärm auf der Straße ist hier sogar erwünscht.“