Zug der Erinnerungen: Wer kennt Rudolf de Beer?
Auf dem Gelände des „SpieDie“ lebte früher eine jüdische Familie. Für den Zug der Erinnerung sucht Helmut Boeck Infos vor allem über den Sohn.
Krefeld-Dießem. Normalerweise sind es fröhliche Stimmen, die aus dem Innenhof an der Dießemer Straße nach draußen dringen. Viele Kinder und Jugendliche, an schönen Sommertagen manchmal bis zu 150 gleichzeitig, kommen zum Zeitvertreib ins Haus mit der Nummer 89 — dort ist das Spielhaus Dießem (SpieDie) untergebracht.
Doch die Stimmung an diesem Ort war nicht immer fröhlich. Vor kurzem hat Helmut Boeck, Leiter des Spielhauses, eine Entdeckung gemacht: Genau dort, wo heute Tischtennisplatten, Töpferwerkstatt und Klettergerüst auf Kinder warten, hat bis in die 1940er Jahre die jüdische Familie de Beer gelebt: Bruno und Johanna mit ihren Kindern Rudolf und Ida.
Im April 1942 wurden alle vier von den Nazis ins Ghetto Izbica in Polen deportiert und entweder dort oder in einem Vernichtungslager ermordet. „Das hat uns total geschockt“, sagt Boeck. „Erst recht vor dem Hintergrund, dass hier heute ausgelassen gespielt wird.
Auf das Schicksal der Familie ist Boeck bei Vorbereitungen für den Zug der Erinnerung gestoßen, der im März Station in Krefeld macht. „Das Jugendamt hat angeregt, dass die Jugendzentren diese Gelegenheit nutzen und sich mit der NS-Geschichte beschäftigen“, erzählt er. Die Stadt stellte Boeck einige Informationen zur Verfügung — darunter eine Liste mit den Namen 35 deportierter Krefelder Kinder. Darauf war auch die damalige Anschrift der Opfer vermerkt. So kam der Stein ins Rollen.
Boeck hat versucht, mehr über die de Beers herauszufinden, vor allem über den damals 16-jährigen Rudolf. Dabei ist er aber schnell an Grenzen gestoßen. Rudolf hat wahrscheinlich eine Lehre als Dreher gemacht; seine Schwester, zum Zeitpunkt der Deportation 20 Jahre alt, hat als Haushaltshilfe gearbeitet.
Der Vater hat mit seinem Bruder an der Dießemer Straße einen Schrotthandel betrieben — mehr ist über die Familie nicht bekannt. „Deshalb suchen wir nach Menschen, die sich an die de Beers oder einzelne Familienmitglieder erinnern“, sagt Boeck. „Optimal wäre es, wenn uns jemand Fotos oder Dokumente zur Verfügung stellen könnte.“ Das sei wichtig, um den „SpieDie“-Kindern dieses dunkle Kapitel der deutschen Geschichte besser vermitteln zu können. „Wir wollen uns intensiv mit der Familie beschäftigen und vor allem Ida und Rudolf aus der Vergessenheit holen.“ Da sei es hilfreich, etwas Plastisches in der Hand zu haben, das nicht so abstrakt ist.