Das Ehrenmitglied der Montagsmaler
Die 90-jährige Lieselotte Sänger ist ein Urgestein des Stadtteils. Für Nachbarn und Weggefährten ist sie „Lotte Küppers“.
Bockum. Auf dem Klingelschild des schmucken Hauses an der Buschstraße, etwa zwischen Kindergarten und Wendehammer, steht der Name Lieselotte Sänger/Küppers. Alle Nachbarn und Weggefährten nennen sie nur nach ihrem Mädchennamen "die Lotte Küppers". In dem Haus, so weiß die patente Seniorin zu berichten, lebt sie seit ihrer Geburt - wortwörtlich. "Meine Mutter war schon fertig angezogen, der Nachbar mit seinem Auto für die Fahrt zum Uerdinger Krankenhaus schon vorgefahren, da ging alles ganz schnell. Ich wurde im Schlafzimmer meiner Eltern geboren."
Von der Buschstraße aus hat sie zeitlebens den Blick auf die Nachbarschaft und das "Dorf", wie man hier die Mitte Bockums nennt. Sie war das vierte Kind, hat ihren Ehemann Franz Sänger schon viele Jahre überlebt und erfreut sich an den Familien der zwei Kinder mit zwei Enkeln und drei Urenkeln. Vor und noch nach ihrer Heirat arbeitete sie als Buchhalterin erst in der Textil-, später in der Kohlenbranche. Nebenbei hat sie ihre Eltern gepflegt. Ihre Mutter Elisabeth wurde 97 Jahre alt, für sie deshalb eine angestrebte Wegmarke.
Ende Januar hat sie im Kreise der Familie und mit Freunden in erfreulicher geistiger Frische ihren runden Geburtstag gefeiert. Dabei kamen viele Erinnerungen auf. So war das Hobby der frühen Jahre der große Garten hinterm Haus. Und samstags, das ist noch in bester Erinnerung, wurde vor dem Haus fein säuberlich geharkt, in akkurate Streifen.
LieselotteSänger zu ihren Besuchen bei den Montagsmalern
Später dann entdeckte Lotte ihre Begabung fürs Nähen, Stricken, Häkeln. Über 30 Jahre lang gehörte sie dem Nähkreis der Pfarre St. Gertrudis an. Die große Freude ihres Alters jedoch ist das Aquarellmalen. Mit einem Dutzend Gleichgesinnter trifft sie sich jeden Montag im Burchartzhof neben der Kirche ("Da war auch der Schnee kein Hindernis, man hat mich immer abgeholt"). Die "Montagsmaler" haben sie zur "Ehrenmalerin" ernannt. Und im Jahre 2009 gab es sogar eine vielbeachtete Ausstellung im Linner Haus Greiffenhorst.
Heute zeugt jede weiße Wand des Hauses an der Buschstraße von ihrer Kunst. Große Urlaube, so berichtet sie, konnte sie sich in der Jugend und während ihrer Ehe nicht leisten. Später suchte sie mit einer Verwandten Erholung auf Juist. Aber immer lebt sie mit wachen Augen in ihrem geliebten Bockum.
Und denkt gern noch an die Zeit zurück, in der sie als erste Frau in Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat von St. Gertrudis mitwirkte und ihre handfesten Vorschläge Gehör fanden. Für die Sitzpolster auf den Kirchenbänken, so erinnert sie sich, hat sie sich seinerzeit vehement eingesetzt. Eine weitere Freude ist die nahe Nachbarschaf, die sich natürlich im Laufe der Jahre auch verändert.
Vor dem Krieg gab es auf dem kleinen Straßenstück 18 Geschäfte, vom Bäcker, Metzger bis zum Geschäft für Kurzwaren. Man hält heute noch zusammen und bedauert nur, dass manche Neuzugezogene nicht einmal mehr grüßen. Doch jetzt, wo der Gehstock zur festen Begleitung geworden ist, erfährt sie dankbar die Hilfen der Nachbarn und ihrer Familie. Und backt immer noch als Dank die berühmten Küppers-Plätzchen.