Mit Sprache Brücken bauen

Hania Zboinska schreibt für polnischsprachige Medien in ganz Deutschland.

Bockum. Im September fährt sie zum Klassentreffen nach Ost-Berlin. Hania Zboinska ist gespannt. "Ich habe die früheren Mitschüler seit 1974 nicht mehr gesehen", sagt die an der Karl-Hügel-Staße in Bockum lebende Polin. Zweisprachig schreibt sie für die Zielgruppe der in Deutschland lebenden "Polonia", verfasst Essays, Reportagen, Kurzgeschichten. Mit ihren Zeilen will sie Brücken bauen, zwischen Deutschen und Polen, Aussiedlern und Polen, Deutschen und Aussiedlern. "Da sind noch sehr viele Vorurteile zu überwinden", sagt die 50-Jährige, die seit 19 Jahren in Deutschland lebt.

Ihre Texte veröffentlicht sie auf Internet-Portalen wie polregio.eu, das von einem Aachener Verein ins Netz gestellt wird, oder der gleichnamigen Zeitschrift. Sie engagiert sich auch in der Düsseldorfer Gruppe "Cultura". In Ost-Berlin ist für Hania viel Entscheidendes passiert. Das aus Warschau stammende Mädchen kam als Tochter eines Diplomaten dorthin und besuchte die Schule. Von daher beherrscht sie Deutsch wie ihre Muttersprache.

Sie erinnert sich: "Mit dem Diplomatenpass durfte ich ja auch nach West-Berlin. Von dort habe ich dann Bravo-Hefte mitgebracht und unter einem großen Baum auf der Museumsinsel mit meinen Schulfreundinnen geschmökert. Da waren keine Abhörwanzen." Seit dieser Zeit weiß sie auch, was es für die Menschen heißt, mit der Lüge zu leben. Zurück in Warschau studierte sie Germanistik und Psychologie, war Lehrerin, bekam ihren Sohn Piotr, der jetzt in London lebt, und wollte eigentlich Polen "nie wieder verlassen". Als ihrem Mann Pawel Zboinski, einem Ingenieur für Nuklearmedizin, in Düsseldorf eine Stelle angeboten wurde, haben sie lange mit der Entscheidung gerungen.

Die Bockumerin mit dem polnischen Pass, die sich auch als Aquarellmalerin betätigt, hat die EU-Aufnahme Polens wie ein Wunder angesehen. Nicht nur weil sie seitdem die unbefristete Aufenthalterlaubnis hat und die nervenaufreibenden Gänge zum Ausländeramt überflüssig sind, sondern weil sie im Zusammenwachsen der Polen und Deutschen in Europa einen ganz wichtigen Schritt sieht. In ihrem Text "Zurück zur Würde" hat sie das eingehend reflektiert.

Der polnisch verfasste Text war kaum im Netz, da hat ihn Ela Jasiowka vom Ost-Europa-Institut der FU Berlin schon ins Deutsche übersetzt daneben gestellt. "Man hat mir gesagt, seitdem habe ich so etwas wie einen Kult-Status bei den Lesern", sagt Zboinska durchaus stolz.

Mit ihrer Arbeit als Schriftstellerin möchte Hania Zboinska helfen, die Zweisprachigkeit zu pflegen, unter anderem "damit der in Deutschland lebende Enkel sich nicht mit seinem in Polen lebenden Großvater nur noch in Zeichensprache verständigen kann".

Im vergangenen Jahr war Hania Zboinska zu einer Ausstellung mit ihren Bilder und zur Lesung ihrer Texte nach Warschau eingeladen. An dem Abend hat die Pop-Gruppe "Perfect" gesungen, mit dem "polnischen Mick Jagger". Wenn sie davon erzählt, spürt man, dass sie diese Anerkennung ihrer Arbeit sehr genossen hat.