Welle der Hilfsbereitschaft in Traar
Bezirksvorsteher Wolfgang Merkel blickt zurück auf ein bewegtes Jahr und zählt auf, was in 2016 noch alles für die Stadtteile zu tun ist.
Verberg. Wolfgang Merkel sitzt am Vormittag entspannt am Esstisch seines Hauses an der Leydelstraße. Das kommt nicht häufig vor. Der Bezirksvorsteher ist hauptberuflich Lehrer und hat ausnahmsweise mal schulfrei. Bei Kaffee und Kuchen schaut er im Gespräch zurück auf ein turbulentes wie auch erfolgreiches Jahr. Seit Herbst 2014 steht er der Bezirksvertretung Ost vor und ist seither zuständig für Bockum, Verberg, Traar und Elfrath. Vieles, was ihm am Herzen liegt, hat er mit Unterstützung umgesetzt. „An manchen Themen müssen wir im neuen Jahr jedoch weiterarbeiten“, sagt der 62-Jährige. Im Interview steht er der WZ zwei Stunden lang Rede und Antwort.
Wie war das Jahr 2015 für Sie?
Wolfgang Merkel: Ein paar wichtige Punkte konnten in diesem Jahr abgeschlossen werden. Erfolgreich zu Ende gegangen ist meine erste Aktion in der Bezirksvertretung: Die Rettung der Baumallee an der Zwingenbergstraße.
Wie ist Ihnen das gelungen?
Merkel: Durch einen Spendenaufruf. Der Fachbereich Grünflächen hatte zwar Ersatzpflanzungen für die wegen der Blattfleckenkrankheit gefällten 29 Rotdorn-Bäume zugesagt, doch das Geld reichte nicht. Mit Hilfe zahlreicher Spender wie der Verberger Schützen, der Anwohner und Gastronomen konnte für rund 9000 Euro inzwischen Ersatz gepflanzt werden. Im nächsten Frühjahr blühen an der Zwingenbergstraße dann Zierkirschen und Zieräpfel.
Was sind für Sie weitere Höhepunkte des vergangenen Jahres?
Merkel: Die Liste ist lang. An oberster Stelle steht die Welle der Hilfsbereitschaft für die Flüchtlinge auf dem Kirschkamperhof. Danach folgen das Eltern-Engagement für den Waldorf-Kindergarten, die Rettung des Kinderkarnevalszuges in Traar, die geplante Sanierung der Niepkuhlen-Brücke, der geniale Vorschlag zu einem alternativen Festplatz für die Traarer-Schützen sowie die Planung für einen neuen Supermarkt an der Moerser Landstraße.
Wie haben Sie im Stadtteil die Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge erlebt?
Merkel: Für sechs Wochen waren im vergangenen Frühjahr Flüchtlingsfamilien im Kirschkamperhof untergebracht. In der WZ hatte ich zu Sachspenden aufgerufen — und wurde förmlich von der Hilfsbereitschaft überrollt.
In welcher Form?
Merkel: Der erste Anruf erreichte mich an dem Tag schon um 8.10 Uhr. Bis 11 Uhr ging das Non-Stop so weiter. Am Abend hatten mich mehr als 200 Menschen angerufen. Danach war die gesamte Garage voll mit Spenden. Darunter nicht nur Spielsachen und Kleidung, sondern auch Kinderwagen, Reisebettchen, Buggies. Selbst eine Küche ist mir für eine Flüchtlingsfamilie angeboten worden.
Was haben Sie damit gemacht?
Merkel: Gemeinsam mit meiner Frau und dem Sozialamtsleiter Wolfgang Gottschalk haben wir die Sachen an die Familien auf dem Kirschkamperhof verteilt. Sie können sich gar nicht die Begeisterung der Kinder für die mitgebrachten Spielsachen vorstellen. Sie haben sofort angefangen, damit zu spielen. In der Zeit ist auch im Helios-Klinikum ein Flüchtlingskind auf die Welt gekommen. Wir haben die Familie mit Babysachen und Baby-Ausstattung unterstützt. Das war sehr schön.
Für dieses Engagement haben Sie sich auch offiziell bedankt.
Merkel: Ja. Ich sehe es als meine Aufgabe als Bezirksvorsteher an, den Bürgern für ehrenamtliches Engagement auch Danke zu sagen. In dem Sinne: „Wir haben das registriert.“ Deshalb habe ich in einer Sitzung der Bezirksvertretung beispielsweise Vertreter des Kirschkamperhofs und der Elterninitiative des Waldorf-Kindergartens eingeladen, um ihre Arbeit zu würdigen.
Wie würden Sie selber Ihre Art beschreiben, die Sitzungen der Bezirksvertretung zu führen?
Merkel: Mein Stil ist es, die Sitzungen nicht nur routinemäßig abzuwickeln und ausschließlich Satzungsänderungen oder Bebauungspläne zu besprechen, sondern noch etwas Besonderes aus den Stadtteilen dazu zu packen. Deshalb habe ich zum Beispiel auch Klassen der Stephanus- und Waldorf-Schule in die BZV und zur Einwohnerfragestunde eingeladen. Sie haben dort das Thema Radweg aufgegriffen. So wird für die Jugendlichen Politik erlebbar.
Dort können die Zuhörer aber auch erleben, dass sie mit Kritik nicht geizen.
Merkel: Ja, wie aktuell an der Verwaltung. Ich musste nachforschen, wo drei Anträge geblieben sind, die in der BZV am 26. August gestellt wurden und entweder gar nicht oder nur unzureichend vor kurzem erst beantwortet worden sind. Dabei handelt es sich um die abgebauten Poller an der Violstraße, Tempo 30 auf der Heyenbaumstraße und die Verkehrssituation auf der Moerser Straße, Höhe Marcelli-Kreuzung. Das ist eine Missachtung der Stadtparlamente.
Wie lautet Ihr Vorschlag für die Marcelli-Kreuzung?
Merkel: Die von der SWK auf dem Radweg geplante provisorische einspurige Straße mit Schlenker über das Landschaftsschutzgebiet sollte nach der Kanal-Baumaßnahme weiter für Radfahrer und Fußgänger genutzt werden. Das Tiefbauamt geht aber nicht auf den Vorschlag ein. Wieso eigentlich nicht?
Sie haben sich für den Kinderkarnevalszug in Verberg eingesetzt. In welcher Form?
Merkel: Es freut mich, dass die KG Verberg dieses Jahr wieder einen Kinderkarnevalszug veranstaltet. Wir sind als Bezirksvertretung nicht für die Veranstaltung verantwortlich. Dennoch haben wir beschlossen, sogenannte bezirksbezogene Mittel in Höhe von 1000 Euro als Unterstützung an den Verein für Brauchtumspflege zu überweisen.
Welche Themen werden Sie in diesem Jahr weiter beschäftigen?
Merkel: Beispielsweise der Bau einer neuen Niepkuhlen-Brücke. Das Geld dafür ist etatisiert und muss bis 2018 ausgegeben werden. Es wäre gut, wenn die Maßnahme um ein Jahr vorgezogen werden könnte. Doch dafür brauchen wir einen Ratsbeschluss, um die 475 000 Euro in den neuen Haushalt einstellen zu können.
Wie wollen Sie das erreichen?
Merkel: Die Fraktionen in der BZV unterstützen mein Anliegen. Jetzt müssen sie in ihren eigenen Fraktionen Lobbyarbeit dafür machen. Ich setze da ganz stark auf Marc Blondin, Vorsitzender des Bürgervereins Traar wie auch CDU-Kreisvorsitzender.
Ab diesem Monat sollen auf dem Traarer Festplatz etwa 150 Flüchtlinge für gut zwei Jahre untergebracht werden. Wegen des Standortes gab es viel Unruhe bei den Bürgern. Wie erleben Sie das?
Merkel: Der Vorschlag der Verwaltung zum alternativen Festplatz ist genial. Die Traglufthalle kann dort nicht aufgebaut werden, aber die Fläche kann für Feste und Aktivitäten genutzt werden. Auch das Engagement des Bürgervereins Traar ist vorbildlich.
Welche Auswirkungen hat der alternative Festplatz auf die dort geplante Ansiedlung eines neuen Nahversorgers?
Merkel: Dadurch gibt es keine Verzögerung. Der Supermarkt ist voll im Zeitplan. Er ist für 2018 auf dieser Fläche angedacht. Die Traglufthalle ist dort nur für zwei Jahre geplant. Somit ist der Dampf raus aus dem Thema.
Wie können Sie als Bezirksvertreter das friedliche Miteinander von Bürgern und Flüchtlingen begleiten?
Merkel: Indem die BZV einerseits den neugegründeten Initiativkreis ideell und finanziell unterstützt. Und wir uns andererseits dafür einsetzen, dass die Bürger kurz vor der Ankunft der Flüchtlinge die Gelegenheit erhalten, sich die Traglufthalle einmal anzuschauen. Nur wer alles ganz genau kennt, lebt ohne Angst. Ist alles transparent, gelingt die Integration.