Der Fall Adnan Harb Tumult im Rat: Adnan Harb wird am Freitag abgeschoben

OB Kathstede sieht trotz Appells keine Chance, dem seit Jahrzehnten in Krefeld lebenden Mann zu helfen.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Drei Unterbrechungen der Ratssitzung, Buhrufe, heftiger Applaus und Beleidigungen: Die Stimmung im Rat ist aufgeheizt, als Verwaltungsspitze und Politiker um Formulierungen und Entscheidungen ringen, die die Zukunft eines Menschen bestimmen. 350 Menschen haben sich am Donnerstag vor der Beratung mit dem 46 Jahre alten Adnan Harb solidarisiert. Er soll am Freitag aus dem Gefängnis in Berlin-Köpenick in die Türkei abgeschoben werden.

Die Begeisterung des Publikums ist spür- und hörbar, als SPD und Grüne, FDP, Linke, UWG, Partei und Piraten an OB Kathstede appellieren, Adnan Harb ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erteilen. Frank Meyer (SPD) verweist auf dessen Brüder, die Aufenthaltsrecht genießen, Thorsten Hansen (Grüne) empfiehlt, mit Akribie alle Möglichkeiten auszuloten, die Harbs Bleiben ermöglichen könnten. Die Ratsmehrheit stimmt für den Appell.

Demo für Adnan Harb: „Gegen Demütigung von Flüchtlingen."
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Demo für Adnan Harb: „Gegen Demütigung von Flüchtlingen."

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Groß ist die Entgeisterung und Tumulte folgen, als der OB danach ohne weiteres zur Tagesordnung übergeht und es den vom Publikum im Sprechchor lautstark geforderten „Anruf in Berlin“ nicht gibt. Unterbrechung, Diskussion, der Ordnungsdienst in Alarmbereitschaft und vor der Tür Polizei: Kathstede versucht die Situation zu entschärfen, indem er die Haltung der Verwaltung erläutert, nach der die rechtliche Einschätzung des Sachverhalts „keinen Handlungsspielraum“ lasse (siehe Kasten). Auch ihn berühre das Schicksal der Familie, auch er könne nicht nachvollziehen, „warum jemand nach 30 Jahren Deutschland verlassen soll“, aber: Die Stadtspitze habe keine Handhabe, etwas dagegen zu unternehmen. Es gelte Bundesrecht.

Beruhigen lassen sich die aufgebrachten Zuhörer nicht. Um 19.35 Uhr resigniert der Rat, die Sitzung wird — ein vielleicht einmaliger Vorgang — abgebrochen.

Dabei war die Demonstration zuvor friedlich verlaufen. „Wir Krefelder schämen uns“ hieß es auf einem Großtransparent. An die Adresse der Ausländerbehörde ging die Aussage: „Gegen Demütigung und Herabwürdigung von Flüchtlingen“ und „Rassismus hat viele Gesichter.“

Paul Jansen, Pfarrer in Hüls und auch für St. Anna im Inrath zuständig, wo Harb im März Kirchenasyl erhalten hatte, verwies auf die große Tradition, die Krefeld in Sachen religiöser Toleranz vorzuweisen habe. „Wir alle hier stehen dafür, dass Adnan Harb in Krefeld bei seiner Familie bleiben darf.“

Sehr angespannt ergriff Nawal Harb, die Ehefrau, das Mikrofon. Ihre gesamte Familie war zur Kundgebung von Flüchtlingsrat und Bündnis für Demokratie und Toleranz gekommen.

„Die letzten Tage“, so Nawal Harb, „waren voll von Angst, Verzweiflung, aber auch voll Mut und Hoffnung.“ Sie dankte den vielen Menschen um sie herum und den fast 1800, die sich per Petition für ihren Mann stark gemacht haben. In Richtung Kathstedes fragte sie: „Wie kann man meinen Mann, der sich seit 30 Jahren nichts hat zuschulden kommen lassen, mit Handschellen abführen wie einen Verbrecher?“ Nawal Harb sprach auch aus, was viele befürchten. „Wir hier, meine drei Kinder und ich, sind dann die Nächsten, die auf der Abschiebeliste der Ausländerbehörde stehen.“