„Museum“ unter freiem Himmel Umsonst und draußen: Kunst entdecken in Krefelds Mitte

Krefeld · Einladung zu einem ungewöhnlichen Kultur-Spaziergang, an dessen Ende „zufrieden jauchzet groß und klein“ - ganz im Sinne von Goethe steht

Im Mittelpunkt der dreiteiligen Bronzegruppe des Künstlers Peter Lehmann vor dem Hansa-Centrum steht ein Bandoneon-Spieler, der an den Erfinder des Bandoneons, den Krefelder Heinrich Band, erinnert.

Foto: Stadt Krefeld

Während es ein österlicher Brauch für Kinder ist, versteckte Osternester und Schokoladenhasen zu finden, können Erwachsene zu jeder Zeit bei einem Spaziergang durch die Innenstadt prächtige Kunst im öffentlichen Raum, teils versteckt, teils offenkundig entdecken und bestaunen – quasi umsonst. In der Blütezeit von Kunst am Bau und später dann Kunst im öffentlichen Raum sind zahlreiche wertvolle Kunstwerke mit Steuergeldern auf Plätzen und an Gebäuden entstanden, die für alle Bürger frei zugänglich gewesen sind. Teils bis heute. Über 720 in der Stadt hat Hans-Peter Schwanke ab 2020 im Auftrag der Stadt und in enger Kooperation mit dem Verein „Kunst und Krefeld“ noch geortet und digital archiviert. Zu einigen von denen führt dieser knapp einstündige Spaziergang.

Los geht es im Süden mit Tango und Glockenspiel

Jahrzehnte lang zierten die elf unterschiedlich großen Glocken die Fassade von Uhren Abeler an der Neusser Straße 63a und spielten verschiedene Melodien zu unterschiedlichen Zeiten. Seit 2014 hängen sie in einem neuen Glockenturm vor dem alten Sinn-Haus.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Los geht es im Süden an der Hansastraße ab dem Hansa-Centrum. Vor dessen Eingang steht eine dreiteilige Bronzegruppe (ursprünglich aus dem Jahr 1985); die einen Bandoneon-Spieler mit Hund und zwei Kindern zeigt. Das Motiv kommt nicht von ungefähr. Hat doch der Krefelder Instrumentenhändler Heinrich Band das Bandoneon entwickelt, das zum Hauptinstrument des Argentinischen Tangos wurde.

Einst stand der im Volksmund „Meister Ponzelar“ genannte Weber auf dem kleinen Platz am Südwall Ecke Lindenstraße.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Während der Tango dort nur in der Fantasie erklingt, ist knapp 50 Meter weiter auf der Neusser Straße das einstige Glockenspiel des früheren Schmuckgeschäftes Abeler tagsüber zur vollen Stunde zu hören. An einer dreibeinigen Stahlkonstruktion wurden die elf unterschiedlich großen Glocken an dieser Stelle im Jahr 2014 neu installiert.

Karl Buschhüter hatte an der Luisenstraße 62 im Jahr 1907 für die Reichspost dieses imposante Backstein-Gebäude mit Wappentier erbaut.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Auf dem Südwall geht es weiter Richtung Ostwall. Dort an der Ecke steht ein lebensgroßer Weber, im Volksmund Meister Ponzelar genannt, der an den Aufschwung als Samt- und Seidenstadt erinnert. 1911 erschaffen, stand er zunächst am Südwall Ecke Lindenstraße, wurde im Laufe des Zweiten Weltkrieges eingeschmolzen und 1945 in der erhaltenen Gussform neu gegossen - und dann umgestellt.

Aus Stein und Glas hat der Krefelder Künstler August Pilgulla das Fassaden große Relief am früheren Hauptzollamt am Dampfmühlenweg erstellt.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Über den Ostwall geht es die Schwertstraße entlang bis zur Luisenstraße. Eine Straße, an der im 19. Jahrhundert bis zu 70 Hauswebereien zu finden waren. Linkerseits, Haus Nr. 62 (Richtung Rheinstraße), lohnt ein Blick in die Höhe auf die Fassade des von Karl Buschhüter gebautes imposanten Hauses. Das Wappentier verrät, welchen Zweck das Gebäude ab 1907 erfüllt hat.

Die bronzene Dante-Figur des Künstlers Giannino Castiglioni steht zwischen Mediothek und Stadttheater.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Neueren Datums ist das ehemalige Hauptzollamt, das am Ende der Luisenstraße linkerseits an der Ecke Jungfernweg und Dampfmühlenweg zu finden ist. 1965 wurde das moderne weiße Gebäude gebaut, an dessen kompletter Giebelwand das große Plattenmosaik in Weiß, Schwarz, Grau und Braun aus Stein und Glas des Künstlers August Pigulla (1923-2016) prangt. Auch fast 60 Jahre später hat es nichts von seiner Schönheit verloren.

Das frühere Stadtpalais der Fabrikantenfamilie von der Leyen und heutige Rathaus ist schon ein schmucker Anblick. Ein Blick an die Decke des Eingangs zeigt dieses prächtige Mosaik.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Was Goethe für Deutschland, ist Dante Aighieri zu einer viel früheren Zeit für die italienische Dichtung gewesen. Das hier in Krefeld die zweite, vollkommen identische Version des Kunstwerkes vom Mailänder Künstler Giannino Castiglioni (1884 bis 1971) steht, die er bereits 1947 für den Ehrenhof der Biblioteca Ambrosiana in Mailand schuf, ist vor allem den jüngeren Krefeldern kaum bekannt. Grund hierfür war die Deutsche Dante-Gesellschaft, die vorübergehend ihren Sitz in Krefeld hatte. Stand die bronzene Figur viele Jahre lang im Hof der alten Bücherei bis zu deren Abriss, mussten die Krefelder sie danach längere Zeit suchen. Ein Jahr nach Eröffnung der neuen Mediothek fand die Bronze-Figur ihren Platz zwischen Mediothek und Stadttheater. Von dort aus schaut Dante scheinbar sinnierend über den Theaterplatz.

Ein wahrer Hingucker ist der Krähen-Zaun des Künstlers Georg Ettl, den er für den Innenhof des KWM gestaltet hat.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Ein Himmel aus goldfarbenen
und braunen Mosaik

Von dort aus geht es die Carl-Wilhelm-Straße entlang bis zum Rathaus am Von-der-Leyen-Platz. Der heutige Verwaltungssitz ist im Mittelteil das frühere Stadtpalais der Seidenfabrikantenfamilie von der Leyen und mit spätklassizistischer Putzfassade gebaut. Wer direkt vor dem Eingang steht, sollte einen Blick zwischen die sechs ionischen Säulen werfen. Dort sind in der Kassettendecke fünf quadratische Mosaikfelder in Gold, Weiß und Braun eingelassen, die 1958 der niederländische Maler, Grafiker, Glas-, Mosaik- und Keramikkünstler Hubertus Brouwer (1919-1980) geschaffen hat. Zwei Jahre später hatte er ein abstraktes Keramikrelief mit dem Titel „Bücherrücken“ entworfen, dass in eine Außenwand der Stadtbibliothek eingelassen wurde. Der Krefelder Unternehmer Hansgeorg Hauser hatte es 2006 vor dem Abriss der Stadtbücherei gerettet und am Verschubbahnhof 51 wieder aufgebaut.

Der Rundgang führt weiter über den Westwall bis zur Rückfront des KWM (Kaiser-Wilhelm-Museum), wo er auch endet. Der bekannte Künstler Georg Ettl (1940-2014) gestaltete 1997 den Innenhof). Um den Raum zu öffnen und den Blicken der Besucher und Anwohner frei zu geben, ersetzte er die Wände durch einen von Krähen überzogenen Zaun – in Anlehnung an den Stadtnamen Krinfelde (auf einem wilden Krähen Feld erbaut), der offiziell später zu Creinvelt, Creyvelt und 1925 zur heutigen Stadt Krefeld wurde.