WZ-Umfrage Was Krefelderinnen und Krefelder zur EU-Wahl sagen

Krefeld · Stimmungsbarometer von Pro und Contra im Vorfeld der Wahl am Sonntag, 9. Juni

Adeola Zimmermann (l.) und Naomi Kanku heben den Daumen für die Europäische Union.

Foto: Ja/Jochmann, Dirk (dj)

Angriffe auf Wahlkampfhelfer wie Anfang Mai in Dresden oder ein Spitzenkandidat, der von seiner Partei wegen des Verdachts ausländischer Einflussnahme im Wahlkampf versteckt wird. An Themen mangelte es im Vorfeld der Europawahl nicht, noch mehr persönliche Gründe finden sich für den Gang zur Wahlurne am Sonntag, dem 9. Juni. Seit Wochen zieren die Gesichter der Spitzenkandidaten die Krefelder Straßen. Schlagwörter wie „Frieden“, „Sicherheit“ oder „Freiheit“ als Versprechen auf der einen Seite, rhetorisch-populistische Fragestellungen wie „Maulkorb oder Meinung“ auf der anderen. Bei der letzten Europawahl im Jahr 2019 lag die Wahlbeteiligung in Deutschland bei 61 Prozent, europaweit bei etwa 50 Prozent. Wie viele Wahlberechtigte werden ihre Stimme abgeben, warum gehen sie zur Wahl oder bleiben dieser fern? Die WZ hat sich auf eine Spurensuche begeben.

„Die Europäische Union ist doch super“, erklären die beiden Krefelderinnen Adeola Zimmermann und Naomi Kanku im Gespräch mit der WZ. „Ich als Deutsche kann reisen, ohne dass ich ein Visum beantragen muss und eine gemeinsame Währung haben wir auch noch“, führt Zimmermann aus. Alle EU-Bürgerinnen und Bürger haben das „Recht auf Freizügigkeit“. Das ermöglicht ein freies Reisen, Leben und Arbeiten in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Auch für den in München lebenden Österreicher Pascal Biedermann ein enormer Vorteil im alltäglichen Leben, wie er bei seinem Krefeld-Besuch erklärt: „Ohne großen Papierkram durch die Länder der EU reisen, das ist mir sehr wichtig.“

„Mit der Europäischen Union verbinde ich vor allem Abstieg“

Eine Offenheit der Grenzen ist auch für die Krefelderin Helma Lederer ein Gewinn, die auch aus einem anderen Grund wählen geht: „Ich möchte nicht, dass Leute gewinnen, von denen ich nicht möchte, dass sie einen Einfluss auf mein Leben haben.“ Konkret fürchte sie eine Zerstörung der Europäischen Union durch einen Rechtsruck. In Deutschland kokettiert vor allem die AfD mit einem Ende der EU. So heißt es im Wahlprogramm: „Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt.“ Für Lederer sei ein Ende der EU keine Option: „Hoffentlich bleibt die EU, das Gelingen eines Schulterschlusses wäre wichtig.“

Fliesenleger Steve Schüller spürt eine gewisse Politikverdrossenheit: „Mit der Europäischen Union verbinde ich vor allem Abstieg.“ Sein Hauptkritikpunkt ist, dass sich vor allem das Arbeiten nicht mehr lohne. Eine Debatte, die in Richtung des Bürgergeldes abzielt und in den vergangenen Monaten vor allem von der Oppositionspartei CDU immer wieder angestoßen wurde. Die Adressierung in Richtung Brüssel ist in diesem Fall allerdings falsch. Ob eine Kritik in Richtung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nun angebrachter wäre, darum geht es Schüller in seinem Punkt nicht. Vielmehr habe er Vertrauen in die handelnden Politiker verloren und erklärt: „Von diesen Politikern möchte ich auch niemanden mehr wählen.“ Eine ähnliche Meinung vertritt Thomas Freiberg, die Hoffnung mit seiner Stimme etwas zu verändern, hat er allerdings noch nicht verloren: „In der EU kocht jeder seine eigene Suppe. Grundsätzlich bin ich für die EU, aber es muss sich einiges ändern. Natürlich werde ich wählen, weil ich mich sonst ärgere, dass irgendein Flapskopp gewinnt.“

Veränderungen in der EU fordert auch Carsten Bullert: „Ich glaube, dass das Europäische Parlament mehr Befugnisse und Macht benötigt.“ Vor allem wirtschaftlich sieht er eine „Win-win-Situation“ für alle 27 Mitgliedstaaten: „Sowohl Deutschland als auch die Schwellenländer innerhalb der Union, profitieren massiv von der EU.“ Neben den gesunkenen Kosten und Handelsbarrieren durch den gemeinsamen Binnenmarkt mit Zollunion sorgt vor allem der gemeinsame Einfluss auf der Weltbühne für eine gestärkte Verhandlungsposition in Handelsabkommen. Ergänzend zu Bullerts Einschätzung spricht die Deutsche Industrie- und Handelskammer von einer positiven Kohäsionspolitik der EU: „Mit Mitteln aus EU-Fonds werden Standortnachteile von strukturschwächeren Regionen ausgeglichen – auch in Deutschland. Das unterstützt auch die Wirtschaft vor Ort.“ Sein Kreuzchen werde Bullert auf alle Fälle setzen: „Die EU ist eine Wahnsinnschance, die größte Chance, die wir auf diesem Kontinent haben.“