Wenn plötzlich das Licht ausgeht

Wer die Kosten nicht mehr tragen kann, sollte sofort Hilfe suchen. Viele tun dies aus falscher Scham nicht.

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Krefeld. Drei Monate lang löste Horst Eberhard Jansen im vergangenen Jahr abends bei Kerzenschein zu Hause Kreuzworträtsel und ging mit einer Taschenlampe durch die Wohnung. Die Stadtwerke hatten dem säumigen 67-jährigen Rentner den Strom gesperrt. Das bedeutete auch: kein Kühlschrank, kein Fernsehen, kein warmes Duschen. „Dabei hätte das alles nicht sein müssen“, sagt Petra Böer, Fachberaterin Energiearmut bei der Verbraucherzentrale Krefeld. Er hätte sich einfach bei ihr oder einem anderen Mitglied des Netzwerks „Energiearmut“ melden müssen.

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Rund zwei Jahre ist her, dass Verbraucherschutzminister Johannes Remmel in Krefeld das Modellprojekt „NRW bekämpft Energiearmut“ startete, das noch bis 2015 läuft. Krefeld ist eine von acht Städten des Landes, die sich erfolgreich daran beteiligen. Die WZ zog nun gemeinsam Bilanz mit den Kooperationspartnern Stadtwerke, Verbraucherzentrale und Caritas. Zum Netz gehören außerdem die Diakonie und die Schuldnerberatung des Katholischen Vereins für soziale Dienste (SKM).

Die Stelle von Petra Böer wurde eigens für das Projekt geschaffen, je zur Hälfte vom Land und von den Stadtwerken finanziert. Gemeinsam versuchen die Partner, eine Stromliefersperre mit Hilfe von vereinbarten Ratenzahlungen zu verhindern, wenn die Verbraucher sich denn helfen lassen. Ziel ist die Existenzsicherung ihrer Klientel mit geringem Einkommen wie Transferleistungsempfänger und Rentner.

Als Horst Eberhard Jansen endlich über Umwege bei der Verbraucherzentrale landete und um Hilfe bat, hatten sich seine Stromschulden bereits auf 900 Euro summiert. Bei einer Rente von 812 Euro war die Rückzahlung ohne Stundung nicht mehr möglich. Die Situation war eskaliert, weil sein Stromverbrauch vermutlich durch die Nutzung eines elektrischen Heizofens extrem gestiegen war. Jansen weiß heute: „Es ist vor allem falsche Scham, wenn man nicht um Hilfe bittet.“

Gemeinsam mit ihm strukturierte Petra Böer seine Ausgaben und erstellte ein Haushaltsbudget. Mit der Bank wurde wegen des überzogenen Dispokredits verhandelt, mit den Stadtwerken eine realistische Abschlagszahlung und eine Rate zur Schuldentilgung vereinbart. Seitdem weiß Jansen, dass ihm zum Leben pro Tag ganze 6,32 Euro für Essen, Kleider und Sonstiges zur Verfügung stehen.

Henning Trupke, SWK-Leiter Kundenservice, lobt die vorzügliche Zusammenarbeit der Kooperationspartner in Krefeld. „Wir wollen niemandem den Strom abstellen, sondern suchen sehr individuelle Lösungen. Dazu muss man uns aber rechtzeitig ansprechen.“

Die Ersparnis beim Strom hat sich bei Jansen allerdings nicht von allein eingestellt. Ein Energieberater der Caritas hat den Stromverbrauch von Haushaltsgeräten und die Verbrauchsgewohnheiten auf den Prüfstand gestellt und Energiesparmittel wie Lampen und einen Duschkopf gratis installiert.

Seitdem notiert Jansen täglich den Stromverbrauch am Zähler und freut sich über den sichtbaren Erfolg. Von mehr als 3000 Kilowattstunden pro Jahr hat er den Verbrauch inzwischen auf 1250 reduziert. „Wenn man aufgeklärt wird, achtet man auch darauf“, sagt er.

Der Sparerfolg hat seinen Ehrgeiz geweckt. Mit einem energieeffizienten Kühlschrank könnte er weitere 110 Euro pro Jahr sparen. Ein Gutschein über 100 Euro für ein neues Gerät ist die Grundlage. Nun legt er jeden Monat einen kleinen Betrag bis zur Anschaffung zurück.

Udo Warstat vom Caritasverband freut sich über solche Verhaltensänderungen. Seit Projektbeginn habe man mehr als 500 einkommensschwache Haushalte besucht und diese mit Artikeln im Wert von 33 000 Euro unterstützt.