Für Familien Wie Eltern Kindern den Krieg erklären

Krefeld · Das Schlimmste für Kinder und Jugendliche sei, nicht über den Angriffskrieg und seine Folgen in der Familie zu sprechen. Das mache Ängste und Ohnmachtsgefühle nur noch größer. Psychologe Thomas Aigner gibt Tipps.

Mit Spenden und einem aufmunternden Gruß für die Menschen in der Ukraine, die seit Tagen nun im Krieg leben, kann man auch von hier gemeinsam mit seinen Kindern ein Zeichen der Solidarität setzen.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Die Bilder und Nachrichten vom Angriffskrieg in der Ukraine sind verstörend. Der Einmarsch der russischen Armee, die Bombardierungen einzelner Städte, der immer größer werdende Flüchtlingsstrom wie auch die zahlreichen Anti-Kriegs-Demonstrationen allerorts beschäftigen seit nunmehr elf Tagen die Menschen. Aber nicht nur Erwachsene sind fassungslos, auch die Kinder machen sich Sorgen und spüren die Unruhe um sich herum. Wie also können Eltern mit ihren Kindern über den Krieg in der Ukraine sprechen? Wie können sie ihnen helfen, mit ihren möglichen Ängsten umzugehen? Wie können sie dafür sorgen, dass sie ihre Zuversicht nicht verlieren? Der Leiter des Psychologischen Dienstes, Thomas Aigner, hat einige Antworten darauf.

Nicht darüber zu reden beflügelt nur die Fantasie

„Sprechen Sie mit Ihren Kindern über den Krieg“, appelliert Aigner. Nichts sei für sie problematischer, als wenn Eltern sie vermeintlich vor der Wirklichkeit schützen wollten und ihnen nichts darüber erzählten. „Sie spüren, dass uns Erwachsene irgendetwas bewegt, dass etwas los ist, was auch uns verunsichert und besorgt“, erklärt Aigner. In ihrer Fantasie bauten sich dann möglicherweise bedrohliche Szenarien auf, die oftmals noch viel schlimmer seien – nicht nur bei Krieg, sondern auch in anderen belastenden Situationen. Spreche man nicht mit ihnen darüber, wüssten Eltern auch nicht, was ihre Kinder anderswo alles so aufschnappen und mit sich rum tragen.

Die Erwachsenen geben den Jüngsten in ihrem Zuhause im Idealfall Sicherheit und Zuversicht. „Es gibt einen Krieg in der Ukraine, hast Du davon gehört, willst Du darüber sprechen?“, könne der mögliche Einstieg in das Thema sein. Die Fragen sollten altersgerecht sein. Auch schon das Kindergartenkind kann vom Krieg gehört haben.

Das Faszinierende sei, dass Kinder – gleich welchen Alters – immer nur so viel fragen würden, wie sie selber bewältigen könnten. Deshalb sollten Erwachsene nicht mehr erzählen als nötig und nicht alle Phasen bis zu einem möglichen Atomkrieg aufzählen. Das würde das Gefühl von Ohnmacht und Angst nur weiter schüren.

Die Gefühle der Eltern gehören ebenso dazu: „Ich mache mir Sorgen wegen dem, was dort gerade passiert…“ Es sei wichtig, auch zu den eigenen Gefühlen zu stehen, ohne panisch zu werden. „Angst ist grundsätzlich nichts Schlechtes, und es hilft uns in bestimmten Situationen, rasch zu reagieren“, erklärt Aigner. Kinder spüren laut Aigner auch ohne Worte, wenn Eltern etwas beschäftigt, und fühlen sich dafür verantwortlich. Deshalb sei wichtig, für sie zu erleben, dass die Gefühle der Erwachsenen nichts mit ihnen zu tun haben.

Und wie erklärt man vor allem jüngeren Kindern einen Krieg? Man könne ihnen erzählen, dass ein großes Land ein kleineres Land besetze. Dabei gehe es um das Streben nach Macht und dass sich das eine Land auf Kosten des anderen noch größer und das andere noch kleiner machen wolle. Der eine will etwas haben, was der andere hat. „Das ist etwas, was Kinder schon aus dem Sandkasten selbst kennen.“

Wenn einem die passenden Worte fehlen oder man unsicher sei, wie man als Elternteil seinem Kind erklärt, was zwei Flugstunden von Deutschland entfernt passiert, gibt es auch Anregungen im Internet (siehe Infokasten).

In Krisen sei es immer hilfreich, selber etwas tun zu können. „Die Ukraine hat viele Freunde, die ihnen auf verschiedenen Wegen helfen“, nennt Aigner einen Mutmacher-Satz. Der überleiten kann zu dem eigenen Engagement. Das können von Kindern gemalte Bilder fürs Fenster sein, Sammelaktionen, an denen sich die gesamte Familie beteiligt, wie auch der Besuch einer Friedensdemo. „Warme Solidarität“ nennt Aigner das, die die psychische Widerstandskraft stärkt – nicht nur der Kinder.