Frauen fräsen wie die Kerle

Der wachsende Mangel an Facharbeitern bietet Umschülerinnen und Schulabgängerinnen bei Voith gute Perspektiven für ihre berufliche Zukunft.

Krefeld. Die Vier in ihren Blaumännern wissens eins ganz genau: „Wir wollen nicht Akten von links nach rechts schieben“. Lieber anpacken wollen sie, gestalten, ihr Geschick und ihre handwerklichen Fertigkeiten einbringen. Und das beweisen sie jeden Tag aufs Neue in der Lernwerkstatt von Voith Paper an der Voithstraße. Dort werden Dorothea Aretz, Angelina Stevens, Daniela Cibis zur Industriemechanikerin und Ramona Lüdke zur Zerspanungsmechanikerin ausgebildet.

Zur Freude von Heinz-Friedrich Kammen, dem Leiter der Aus- und Weiterbildung. Denn nicht nur der weiß: Aufgrund der demographischen Entwicklung wird es spätestens in zehn Jahren einen eklatanten Facharbeitermangel geben — wenn nicht immer mehr Frauen für die einst typischen Männerberufe begeistert werden können.

„Einer für alle, alle für einen.“ Dieser markige Spruch der Musketiere gilt nicht nur für die vier weiblichen Auszubildenden, sondern auch für ihre männlichen Kollegen. „Wir werden gleichwertig behandelt: Frau hilft Mann, Mann hilft Frau“, sagt Ramona Lüdke, die mit ihrer wallenden schwarzen Mähne Vorurteilen von Frauen in Männerberufen Lügen straft. Sie hat sich einen Traum erfüllt. Die ausgebildete Handwerkerin wollte schon immer mit Metall arbeiten. Das wird sie nun auch künftig mit Hilfe einer Umschulung durch die Krefelder Arbeitsagentur.

Auch die 40-jährige Dorothea Aretz, die früher in einer Schreinerwerkstatt gearbeitet hat, und die 28-jährige Daniela Cibis, die zunächst eine Ausbildung als Tierpflegerin absolvierte, sind Umschülerinnen. Sie müssen den selben umfangreichen theoretischen und praktischen Stoff in 24 Monaten lernen, für den die jüngeren Auszubildenden 42 Monate Zeit haben. „Das ist schon hart“, räumt Kammen ein, der aber fest an den Erfolg seiner „Mädels“ glaubt. „Die Mühe lohnt sich; schließlich werden sie für die nächsten mindestens 25 Jahre einen sicheren Job haben.“

Daran zweifelt Angelina Stevens nicht im geringsten. Die 20-Jährige ist jetzt im vierten Ausbildungsjahr und macht in Kürze ihre Prüfung. Schon jetzt hat sie aus dem Konzern das Angebot, an den Voith-Standort Köln zu wechseln. Eine solche Chance lässt sie sich nicht entgegen, auch wenn sie dann ihren jetzigen Wohnort Moers verlassen muss.

Alle vier sind bereit, für ihre berufliche Zukunft eine Menge zu investieren. Vor allem Zeit und jede Menge Energie. Die meisten von ihnen haben noch eine eigene Familie und kümmern sich nach Feierabend um die Kinder und den Haushalt. Da kommt ihnen gut zu pass, dass die Arbeitszeit wochentags von 6.45 bis 15 Uhr und freitags nur bis 12.30 Uhr dauert. Einmal in der Woche findet ganztägig der Unterricht im Werk statt.

„Voith bildet derzeit 140 Umschüler aus, zehn Prozent davon sind Frauen“, erzählt Kammen. Die Technischen Zeichnerinnen und typischen Büroberufe hat er dabei nicht mitgezählt. „Die gibt es schließlich schon lange.“ Seit die Arbeitsplätze aufgrund immer moderner Maschinen sauberer geworden sind und verstärkt Hebezeuge zur Verfügung stehen, die die körperliche Kraft weitgehend ersetzen, gibt es für Frauen keinen Grund mehr, vor diesen handwerklichen Berufen zurückzuschrecken. „Und sie sind ebenso talentiert wie Männer“, sagt ihr Ausbilder Mario Stasch.

„Wer einen solchen Beruf wählt, muss schon schlagkräftig sein“, räumt Angelina Stevens ein. Kurze Haare hingegen sind keine Pflicht. Dorothea Aretz, Ramona Lüdke und Daniela Cibis haben tragen alle lange Haare — doch nur bis zur Eingangstür der Ausbildungswerkstatt. Beim Betreten greift jede von ihnen in die Overalltasche, zieht ein Haargummi raus und schwups sind die Haare zu einem engen Knoten verschlungen. Wenige Minuten später fräsen und drehen sie dann hoch konzentriert und präzise wie ihre Kollegen.