Gehandicapt und motiviert bis in die Haarspitzen
Betriebe, die behinderte Mitarbeiter einstellen, erhalten Zuschüsse. Doch fallen die Entscheidungen oft nicht vorbehaltlos.
Krefeld. Lange hat Thomas Hirsch sich bemüht, unter Kollegen am Arbeitsplatz nicht als „der Behinderte“ wahrgenommen zu werden. Hoch motiviert und fit in seinem Beruf versuchte er immer wieder, Einsatz zu zeigen und die Einschränkungen, die sein Körper ihm auferlegt, zu unterdrücken. „Ich habe ständig 120 Prozent gegeben, irgendwann ging es nicht mehr“, sagt der heute 48-jährige Krefelder rückblickend. Mittlerweile hat der Zweiradmechaniker — er erkrankte als Kind an einer seltenen Krebsform und nahm durch die harten Behandlungsformen Schaden — gelernt, die begrenzte Leistungsfähigkeit seines Körpers richtig einzuschätzen. Und er weiß nun, dass er seinen Betrieb bereichert.
Dass es auf dem Arbeitsmarkt Jobs für körperlich und geistig behinderte Menschen gibt, ist gesetzlich im Sozialgesetzbuch IX vorgeschrieben. Ohne die in Deutschland vorhandenen Fördermaßnahmen griffen viele Arbeitgeber allerdings nicht auf behinderte Arbeitnehmer zurück. Die Vorbehalte sind oft groß, so der Eindruck von Gabriele Berndt, die als Behindertenbeauftrage der Stadt Krefeld seit 2007 auch das Team der sogenannten örtlichen Fürsorgestelle leitet. An diese können sich arbeitsuchende Behinderte wenden — aber auch Betriebe, die diese einstellen wollen und Unterstützung suchen.
Gabriele Berndt erklärt, wie das Gesetz Behinderte auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen versucht: „Jeder Betrieb ab 20 Mitarbeitern muss eine Behinderten-Quote von fünf Prozent erfüllen. Ansonsten ist eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, die in den Fonds des Integrationsamtes des Landschaftsverbands Rheinland fließt.“ Aus diesem Fonds kommen die Mittel, die der örtlichen Fürsorgestelle zur Verfügung stehen. Berndt ergänzt: „Natürlich können auch Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern gefördert werden.“
In der Werkstatt von Wilhelm Költgen an der Oberbenrader Straße werden Fahrzeuge aller Art an die Bedürfnisse ihrer behinderten Besitzer angepasst. Thomas Hirsch arbeitet hier an drei Tagen in der Woche je sechs Stunden. Seit er 2003 dort anfing, gibt es Fördergelder. „Eine hydraulische Hebebühne, rutschfester Gummiboden in der Werkstatt und leicht bedienbare Werkzeuge wurden angeschafft“, sagt Chef Wilhelm Költgen, dem von Geburt an die rechte Hand fehlt. Die Anschaffungskosten konnten bis zu 60 Prozent gefördert werden.
„Meine vorherigen Chefs musste ich sogar motivieren, diese Mittel zu beantragen“, sagt Thomas Hirsch. „Die wussten nicht, was da so alles möglich ist — ich allerdings auch nicht.“ aus solchen Gründen und um zu sehen, wie die Arbeitsbedingungen auf die Bedürfnisse der behinderten Mitarbeiter abgestimmt werden können, schicken Landschaftsverband und die örtliche Fürsorgestelle Ingenieure in die Betriebe.
„Der Austausch funktioniert gut“, versichern Berndt, Költgen und Hirsch — obwohl die Zuständigkeiten für die Fördermaßnahmen je nach Arbeitsplatz auf verschiedene Institutionen verteilt sind (siehe Grafik).
Der Arbeitsplatz von Thomas Hirsch ist einer von 80, die die örtliche Fürsorgestelle in Krefeld derzeit mit bis zu 20 000 Euro fördert.
In Krefeld gibt es laut Gabriele Berndt unter kleinen und mittleren Betrieben allerdings noch Berührungsängste gegenüber behinderten Mitarbeitern. Die großen Firmen, aber auch die Stadtverwaltung, beschäftigen dagegen mehr behinderte Menschen als verlangt. Die Behindertenbeauftragte weiß warum: „Die Betriebe erkennen schnell, dass sie nicht minderwertige, sondern hoch motivierte Mitarbeiter haben.“