TKN-Brand: Ursache ist nicht zu klären
Ein Jahr liegt der Großbrand zurück. Die erste damals zerstörte Anlage läuft schon wieder, die zweite soll im Herbst ihre Arbeit aufnehmen.
Krefeld. Die genaue Brandursache wird wohl nie geklärt werden. Dass es ein technischer Defekt war, der am 22. Juni 2006 im Kaltbandwerk der ThyssenKrupp Nirosta einen Großbrand auslöste, steht aber außer Frage. 100 Millionen Euro Sachschaden war die Bilanz - ohne den Produktionsausfall. 14 Menschen wurden bei den Löscharbeiten zum Glück nur leicht verletzt.
Dei WZ sah sich jetzt exklusiv auf dem Gelände um und konnte feststellen - ein Jahr später läuft eine Linie bereits wieder. Die zweite wird voraussichtlich Im Oktober ihre Arbeit aufnehmen. Und auch der 55 Meter hohe Kaminturm, der wegen Einsturzgefahr abgetragen werden musste, ist bereits wieder in Betrieb. Insgesamt 2000 Menschen auf der Baustelle (bis zu 250 gleichzeitig) haben das möglich gemacht.
"So ein Brand wird uns nicht mehr passieren", ist sich Projektleiter Hans-Joachim Becker sicher, denn beim Neubau hat das Unternehmen nach neuesten Erkenntnissen des Brand- und Umweltschutzes gearbeitet. Ein neuer Katalysator auf dem Dach des langgestreckten, grün und blau gestrichenen Gebäudes wird die Stickstoffemissionen der beiden erneuerten Anlagen nach dem neuesten Stand der Technik um rund die Hälfte reduzieren.
Um 5.12 Uhr war die Brandmeldung am 22. Juni 2006 eingegangen. Drei Minuten später war die TKN-Werksfeuerwehr vor Ort. Doch schnell war klar, dass sie für diesen Einsatz Verstärkung brauchte. Rund 100 Kräfte waren bis mittags damit beschäftigt, das Feuer zu löschen, die riesige Qualmwolke über Stahldorf niederzuschlagen. Die Nachlöscharbeiten dauerten erheblich länger.
Zunächst konnte man die Brandstelle überhaupt nicht betreten: Einsturzgefahr. Neue Stahlträger mussten die Hallenwand ohne Dach stützen. Erst dann konnten Schadensaufnahme und Aufräumarbeiten beginnen. Schnell war klar: zwei Linien waren auf circa 150 Metern Länge weggebrannt. Betroffen war die erst 2003 in Betrieb genommene Kaltbandlinie 3. Hier war auch das Feuer durch einen technischen Defekt - vermutlich in einem Elektromotor - im unteren Bereich der dreistöckigen Anlage ausgebrochen.
Was jedoch genau die Ursache war, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, weil ein 1500 Tonnen schwerer Ofen nach dem Abschmelzen des Gerüstes aus 16 Metern Höhe genau auf die Stelle gestürzt ist, wo der Brand ausgebrochen war und damit alle Beweise vernichtet hat, die möglicherweise da waren.
Doch nicht nur das Gerüst der Anlage konnte der Hitze nicht widerstehen. Auch Dach und Außenhaut der Halle wurden zerfressen und die Träger stürzten schließlich in die benachbarte Glüh- und Beizlinie 3 aus den 90er Jahren, die ebenfalls Feuer fing und zerstört wurde.
Nur zwei bis drei Wochen vor dem Brand hatte es noch eine Begehung mit der Feuerwehr gegeben. "Alles war in Ordnung", erinnert sich Unternehmenssprecher Achim Vohl. "Im Gegenteil: die Experten waren beeindruckt, da in der neuen Anlage bereits die strengen Auflagen, die nach dem Düsseldorfer Flughafenbrand gelten, erfüllt waren."
Dass das Unternehmen nach den entsprechenden Genehmigungen die zerstörte Anlage wieder aufbauen wollte, war recht schnell klar. Die Auftragslage war sehr gut. "Aber selbst heute würden wir nicht anders entscheiden", meint Becker, obwohl der Stahlboom eindeutig zu Ende sei, die hohen Legierungszuschläge die Gewinne auffräßen. Man dürfe das nicht zu kurzfristig betrachten.
Dennoch ist er sicher, dass manches kleinere Unternehmen angesichts eines solchen Produktionsausfalls pleite gegangen wäre. Dass dies in Krefeld nicht passiert ist, sei vor allem dem Mitarbeitern und der Arbeitnehmervertretung, aber auch den Schwesterwerken zu verdanken, betont Vohl.
Thyssen Krupp Nirosta (TKN) ist ein Unternehmen von ThyssenKrupp Stainless und arbeitet an den Standorten Krefeld, Düsseldorf, Bochum und Dillenburg.
An den vier Standorten waren im Jahr 2006 4185 Mitarbeiter beschäftigt, der Umsatzerlös betrug 2,503 Milliarden Euro.
In der Kaltbandlinie 3, die 2003 in Betrieb gegangen war, wurden bereits die verschärften Brandschutzauflagen nach dem Brand im Düsseldorfer Flughafen berücksichtigt. Das, so Michael Fitzek, Umweltbeauftragter der TKN, habe mit dazu beigetragen, dass es so wenig Verletzte bei dem Brand gab. Die neuen automatischen Entlüftungen in den Hallendächern hätten beim Brand für klare Sicht der Feuerwehrleute gesorgt.
Der Anteil der brennbaren Materialien wurde beim Wiederaufbau auf 15 Prozent reduziert. Vor dem Brand wurde im Beizbereich mit Kunststoff gearbeitet - wegen der Säurebeständigkeit. Jetzt ist ein Spezial-Edelstahl verwendet worden.
In einem Außentank am Gebäude lagern 220 000 Liter Löschwasser (vorne im Foto). Im Schweiß-Bereich wurde eine zusätzliche Sprinkleranlage installiert, die auf Temperatur reagiert. Unter der Bandanlage ist ein Auffangbereich für Löschwasser eingebaut worden. Dort, wo Schaltanlagen stehen, sind Argon-Löschanlagen installiert worden - ein Spezialgas, das den Sauerstoff abzieht und so die Flammen erstickt. Löschwasser würde an der Elektrik zu viel zerstören.
Insgesamt gibt TKN - aus den Erkenntnissen des Großbrandes heraus - an allen Standorten 8 Millionen Euro in diesem Jahr für die Löschanlagen-Nachrüstung aus. Dazu zählt auch die Ausrüstung sämtlicher Hallendächer mit den automatischen Entlüftungsanlagen.