Zehn Jahre Gottesdienst für Frustrierte
Das in ganz Krefeld einmalige Angebot der Pauluskirche hat in diesem Jahr Jubiläum. Angesprochen sind kirchenferne und kirchendistanzierte Menschen.
Krefeld. Wenn vor dem Altar Kandidaten wie bei „Wetten dass. . .“ auf dem Sofa sitzen, eine Casting-Show-Jury ihre Wewerber singen lässt oder ein Pfarrer mit einem Motorrad hereinrollt, dann ist in der Pauluskirche wieder „Atempause“-Gottesdienst. Was hier passiert, klingt fast paradox: ein Gottesdienst für Kirchendistanzierte, für Kirchenferne oder sogar Kirchenfrustrierte.
In der Pauluskirche funktioniert das nun schon seit zehn Jahren. Zur „Atempause“, wie dieses spezielle Angebot heißt, kommen im Schnitt 100 bis 200 Besucher. „Es geht um einen Moment des Luftholens, des Innehaltens, sich etwas Gutes tun, sich eine Atempause gönnen“, erklären Michael Wendel, Diakon in der Pauluskirche und als Hauptamtlicher verantwortlich für die „Atempause“, und Michaela Breuer, die von Anfang an zum Ehrenamtlichen-Team gehört, das diese besonderen Gottesdienste begleitet.
Michaela Breuer, Ehrenamtliche
Die 50-Jährige hat nicht nur fast alle „Atempausen“ mit vorbereitet und übernimmt die Moderation, sondern war schon bei der Entwicklung der Grundidee dabei. „Wir wollten damals einen Gottesdienst der anderen Form haben, um Zielgruppen anzusprechen, die mit der klassischen Form der Kirche und des Gottesdienstes, wie sie sie kennengelernt haben, nichts anfangen können“, erinnert sich die 50-jährige Ehrenamtliche. „Für viele Kirchendistanzierte wirkt ein klassischer Gottesdienst oft wie ein Kulturschock“, sagt Michael Wendel. „Die Kirche erreicht drei bis fünf Prozent ihrer Mitglieder“, verdeutlicht der 45-Jährige die Motivation für die „Atempause“ mit ein paar Zahlen, „wir kümmern uns um die anderen 95 Prozent.“
Dabei setze man darauf, die Menschen bei ihrem kulturellen Hintergrund abzuholen. „Theater, Humor, Musik wie im Radio“, zählt Wendel auf.
Da erklingen Melodien von Madonna genauso wie von Ich + Ich oder Genesis. Da kann Lena Meyer-Landruts Eurovision-Song-Contest-Sieg mit „Satellite“ genauso Thema sein wie die Fußball-Weltmeisterschaft oder Barack Obamas „Yes, we can“, um im Verlauf auf andere, tiefgreifendere Fragen zu kommen.
„Die ,Atempause’ ist experimentell, modern, lustig, nachdenklich“, fasst Wendel zusammen. Und Michaela Breuer, die sich mit den anderen Machern zu Beginn durch verschiedene alternative Gottesdienste in anderen Städten inspirieren ließ, ergänzt: „Auch bei den Gebeten achten wir auf andere Worte.“ Mittlerweile sei der „etwas andere Gottesdienst“ ein „ganzheitliches Paket“. Er beginnt mit einem Sektempfang im Gemeindehaus zur Begrüßung und endet mit einem Essens-Angebot und der Chance der Besucher, sich auszutauschen.