Der Müll muss weg: Knochenarbeit nach dem Zug
40 Mann und WZ-Mitarbeiterin Pia Windhövel waren dafür im Einsatz.
Langenfeld. Ein kalter, aber sonniger Nachmittag in Langenfeld. Die Straße ist mit Konfetti, Luftschlangen, Kronkorken und Sektflaschen übersät — die Hinterlassenschaften des Karnevalszuges, der soeben um die Ecke gebogen ist. Vor den Kneipen ist die Party noch voll im Gange. Verkleidete Jecken stehen zusammen, stoßen an und singen Karnevalslieder. Die Kinder vergleichen ihre Ausbeute beim Kamelle-Fangen. Als wir vorbei ziehen, unterbricht der DJ kurz die Musik: „Das ist ganz toll, was die hier machen.“, tönt es aus dem Lautsprecher. „Vielen Dank an die Männer und die Frau von der Straßenreinigung.“ Die Frau bin heute ich.
Auf dem Rücken trage ich einen gefühlt 40 Kilogramm schweren Rucksack. Darin stecken ein Motor und ein Tank mit einem halben Liter Benzin. In der rechten Hand halte ich die Düse, mit der man wahlweise Laub oder eben Müll vor sich her pusten kann. Kollege Rachid Karada (31) zeigt mir, wie man Gas gibt: „Schön auf den Boden richten und den Müll vom Bürgersteig auf die Straße blasen.“ Ich gebe Vollgas und mein Arm fliegt fast zur rechten Seite weg. Ganz schön anstrengend, aber ich beiße die Zähne zusammen, muss ja meinem Team hinterher. Noch fast zwei Kilometer stehen uns bevor.
Die Arbeit fängt an, mir Spaß zu machen. Die Kollegen sind gut drauf und die Sonne scheint. Die Luftschlangen und das Konfetti sind schnell auf die Straße gepustet. Zum Glück regnet es nicht. Fünf Kehrmaschinen begleiten uns und nehmen den Müll, den wir auf die Straße pusten, auf. Zwei Kollegen laufen mit einem Müllsack vor, um große Kartons oder Flaschen einzusammeln, die den Schlauch der Kehrmaschine verstopfen würden. Unsere kleine Kolonne wird angeführt von zwei Müllfahrzeugen. Hinter uns montiert ein Team um Betriebshofleiter Willi Koch die Parkverbotsschilder ab und gibt die gereinigten Straßen für den Verkehr wieder frei.
Eigentlich ist die Arbeit ganz einfach, denke ich. Doch es gehört mehr dazu, wie ich bald herausfinde. Vor allem teamfähig muss man sein — und körperlich fit. Rachid arbeitet seit drei Jahren beim Betriebshof und liebt seinen Job. „Ich bin gerne draußen“, sagt er und läuft ein Stückchen vor. Mit Handzeichen bedeutet mir Rachid, dass er jetzt das Gebüsch von Unrat befreit und ich das Papier und Plastik dann auf die Straße pusten soll. Ich höre kaum etwas, weil ich zum Schutz vor dem laut dröhnenden Motor auf meinem Rücken Ohrstöpsel trage. Gut, dass ich gestern nicht Karneval feiern war, sonst wäre diese rüttelnde Maschine wohl ein Kopfschmerzgarant.
Plötzlich bin ich von einer Gruppe halbstarker Verkleideter umringt. Ein Jugendlicher mit Sektflasche in der Hand will ein Foto mit mir machen. Ich winke ab und will weiter Müll vom Sockel der Stahlskulptur vor der Sparkasse auf die Straße pusten. „Ey“, ruft der junge Mann mir zu, „mein Freund hier hat eine Wetter verloren. Als Strafe musst du ihm mit dem Laubsauger ins Gesicht pusten.“ Einer meiner Kollegen stellt sich schützend neben mich und beobachtet die Szene finster dreinblickend. Ich lächle, verneine höflich und ignoriere dann die angetrunkenen Jungs.
Die Jecken widmen sich wieder ihrem Sekt und ich mich meiner Arbeit. „Man muss immer aufpassen“, sagt Rachid. „Heute ist es sehr friedlich, aber wir erleben schon öfter mal Pöbeleien.“ Einmal sei ein Kollege am schweren Rucksack umgerissen und zu Boden geschubst worden. Die meisten Passanten aber begegnen uns mit Respekt, machen Platz, wenn wir mit den Gebläsen die Bürgersteige räumen. Und wenn mal einer im Weg steht? „Einfach weiter pusten, die gehen schon zur Seite.“ Anweisung vom Chef.
Der Rucksack wird immer schwerer, der Arm langsam lahm. Morgen gibt’s Muskelkater. Einsatzleiter Koch verteilt Brötchen. Kleine Pause, dann geht es weiter — noch einen Kilometer.