Bahnstraße ist doch einen Bummel wert
Wer nur das Gezerre aus den städtischen Ausschüssen vor Augen und Ohren hat, mag gar nicht hingehen. Dabei hat die Erkrather Bahnstraße allerhand zu bieten.
Erkrath. Wenn man die Bahnstraße nur aus den Ausschüssen kennt, die im Rathaus mit eben dieser Adresse tagen, hat man eigentlich gar keine Lust mehr hinzugehen. Leerstände, Gezerre um Poller hoch oder runter, niedrige Aufenthaltsqualität, ausbleibende Kundschaft, davon ist immer wieder mal die Rede. Schauen wir mal, was die Vielgescholtene zu bieten hat.
Praktisch für jene, die am Rathaus starten, ist das benachbarte Geldinstitut, bei dem man Bares für den Bummel zapfen kann. Wird man das los? Auf jeden Fall, wenn man Schreibwaren, Kosmetik und Parfüm, Zeitungen oder Tabak, Obst, Backwerk, etwas vom Optiker, Uhrmacher, Goldschmied, aus dem Telefonladen oder aus dem bunten Klimperkramgeschäft braucht, einen Führerschein machen, Wäsche reinigen oder auf die Schnelle Passfotos machen lassen will, Nageldekoration, Wimpernbehandlung oder Massage nötig hat oder eine Reise plant.
In einer kleinen Passage gibt es auch ein Sanitätshaus, in dem ein sehr junger Mann bedient, einen Schuster, ein einladend dekoriertes Fotostudio, ein Geschäft mit Pralinen und — immer ein Zeichen der Hochkultur — losem Tee. Alle Achtung, Bahnstraße! Auch die Präsenz eines Reformhauses gefällt. Schade nur, dass ein Buchladen fehlt.
Platz wäre ja da in einem der Leerstände, die sich allerdings in Grenzen halten. Da hat man in anderen Städten schon deutlich traurigere Hier-waren-einmal-Läden-Zeilen gesehen. Zum Ausgleich geben sich ein paar Händler viel Mühe mit der Schaufenster-Dekoration. Etwa das Wollgeschäft in Höhe der Öffnung der Straße zum Bavierplatz (mit großem Einkaufscenter). Dort bleibt auch stehen, wer schon seit Jahren keine Nadeln mehr im Garn gehabt hat, und die anderen sowieso, wie der danebenliegende Handarbeitsraum bezeugt.
Gleiches gilt für den bestens sortierten Stoff- und Knopf und Kurzwarenladen, vor dessen Auslagen man wünscht, mit der Nähmaschine zuhause deutlich mehr als immer nur Vorhanglängen variieren zu können. Anstiftung zur kreativen Betätigung, da haben die Schaufensterdekorateure ganze Arbeit geleistet.
Hübsch anzuschauen sind auch die Fenster eines Modegeschäfts, das nach einem Meeresbewohner benannt ist. Weil es sich, wie auf der Türe zu lesen ist, um „exklusive Mode“ handelt, sind natürlich auch die Preise etwas höher. Dafür gibt es dort aber auch Kleidung aus vom Aussterben bedrohten, schönen Materialien wie beispielsweise Leinen, und nicht immer nur Polyester. Günstiger einkleiden kann man sich in einem großen Modehaus, das die gängigen Marken unter seinem Dach vereint. Die Auswahl ist groß, es fehlen nur ein bisschen die kleineren Größen, die entweder schon weg oder einfach nicht so gefragt sind. Zum Schuheinkauf muss, wer eine größere Auswahl braucht, woanders hinfahren.
Bleiben kann noch, wer sich gerade eine der existenziellsten Fragen stellt: Was gibt es zu essen? Mindestens zwei Eiscafés, ein Bäcker mit Kaffeeausschank, ein Inder, ein Grieche, ein Italiener, ein Döner- und ein Burger-Laden beantworten diese Frage je nach Geschmack. Draußen sitzen ist hier und da möglich, ein paar Bänke mehr als Einladung zum Verweilen könnte die Straße aber durchaus vertragen. Wer Lebensmittel braucht, muss in den Supermarkt ins Baviercenter, darüber hinaus gibt es an der Bahnstraße außer Obst und Gemüse nichts. Ein Metzger fehlt, aber die gibt es ja sowieso kaum noch. Und das ganze Bio-Segment liegt brach, mal abgesehen von dem, was Wochenmarkt und Supermarkt in dieser Hinsicht zu bieten haben.
Bevor man am Ende der Straße ein paar Blumen kauft, gibt es architektonisch noch Einiges zu bewundern, etwa die klassizistische Kirche oder das gegenüber gelegene alte Gemeindeamt in Backsteingotik mit umwerfend schönen alten Bäumen davor (und einer Bürgerbus-Haltestelle). Schön auch, dass die Alten (im Haus Bavier) mittendrin leben. Und im Postshop kann man auch noch etwas loswerden.
Also: Eine Prachtmeile ist sie nicht, die Erkrather Bahnstraße — aber auch nicht das genaue Gegenteil.