Reisememoiren aus den 1920er-Jahren
USA-Reise: Fotografien von Max Rabes sind im Gemeindehaus zu sehen.
Erkrath. Betört vom Kratzen eines Grammophons sprang die Zeit im Gemeindehaus Sandheide zurück in die 20-Jahre. Für hundert Neugierige schlug Michael Oliver Fluess - manchem als Arzt, anderen als Maler bekannt - erstmalig die frischgefundenen Reisememoiren des wilhelminischen Hofmalers Max Rabes auf. Aus dessen transatlantischem Erfahrungsschatz des Jahres 1929 sprüht die Lust an moralisch überlegener Abscheu: „Sie tanzen hier die Körper mittwegs aneinander gepresst. Das ist alles sehr unschön.“
Die Hörer lernten einen reichen Fundus an bildungssprachlichen Wertungen kennen: „Degoutant! Akklamierend! Gutgewachsen!“ Rabes‘ Kamera schoss am Beach Liebespaaren Amorpfeile in den Rücken. In der Sommerfrische von Long Island erwischte er mit einem sensationellen linken Schnappschusshaken den noch unbekannten Max Schmeling. Dorothea Kühl-Martini bekam die altersgewellten Grau-Weiß-Originale mithilfe von schwarzen Rahmen geglättet, die nun die Wände schmückten. Zur Melancholie der Motive seufzte die Kuratorin: „Am Ende seines Lebens war Rabes eine tragische Gestalt, weil seine Zeit einfach vorbei war.“
Im Vorfeld der Ausstellung korrespondierte sie mit Experten zu Rabes‘ Orientmalerei sowie mit Nachkommen der damals Mitgereisten. 35 Photographien wurden zur Exposition ausgewählt; für Folgeschauen hätte sie über hundert weitere Aufnahmen in der Hinterhand. Gerne möchte Kühl-Martini die bebilderten Erinnerungen in Buchform veröffentlichen. Zumindest bleibt zu hoffen, dass sich in einigen Jahrzehnten jemand den Videoaufzeichnungen dieses wunderbaren Lese- und Pianoabends annehmen und daraus eine genauso gelungene Präsentation gestalten möge. Die letzte Chance, die erste Fotoausstellung von Rabes‘ Amerikareise zu sehen, ist heute von 10 bis 19.30 Uhr am Hans-Sachs-Weg 1.