Aus Leid wächst Lebensmut

Seit zehn Jahren gibt es in Hilden eine Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern krebskranker Kinder.

Hilden. „Mein Sohn wäre heute 23 Jahre alt.“ Gabriele Persicke stockt bei diesem Satz kurz der Atem, doch sie bleibt stark. Sie weiß mittlerweile, dass sich die Zeit nicht zurückdrehen lässt. Ihr ist klargeworden, dass ihr Sohn nie mehr strahlend auf sie zulaufen wird oder ihren Rat in Anspruch nimmt. Sie hat gelernt, mit ihrem Schicksal umzugehen, es zu akzeptieren, wieder zu lachen und optimistisch in die Zukunft zu schauen.

Zu verdanken habe sie das nicht zuletzt den „Sternschnuppenkindern“, einer Selbsthilfegruppe verwaister Eltern krebskranker Kinder. Persicke: „Dieser Austausch mit Eltern, denen das gleiche Leid widerfahren ist, hat mich langsam aber sicher wieder aufgerichtet. Ich kann nicht sagen, wo ich heute wäre, hätte es dieses Angebot nicht gegeben.“

Im Jahr 2001 erhielten sie und ihr Lebenspartner die schockierende Diagnose: Lymphdrüsenkrebs. Die Zeit blieb stehen, nichts war mehr so, wie es vorher war. Acht Monate Chemotherapie brachten ihrem bis dahin stets optimistischen Sohn Besserung, doch der Rückfall folgte sogleich.

„Da war uns sofort klar, dass das kein gutes Zeichen ist“, sagt Persicke. An den Nebenwirkungen der folgenden, noch aggressiveren Therapie starb ihr Sohn schließlich.

Bereits am Sterbebett hörte sie von der damals gerade gegründeten Selbsthilfegruppe. Anfangs fieberte sie den Treffen immer entgegen. Sie musste reden, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Sie brauchte Menschen um sich herum, die sie verstanden. Nach etwa drei Jahren wurde es schließlich besser, sie nahm nicht mehr regelmäßig an den Treffen teil und fand wieder Boden unter den Füßen.

Jetzt feierten die „Sternschnuppenkinder“ das zehnjährige Bestehen der Gruppe. Gegründet wurde sie von Christa Cholewinski unter dem Dach des Kinderschutzbundes, um Menschen wie Gabriele Persicke wieder Lebensmut zu schenken. Insgesamt 45 Eltern konnte seitdem geholfen werden, die zum Teil sehr weite Wege in Kauf genommen haben. „Ein solch spezielles Angebot ist in Deutschland sehr selten“, sagt Cholewinski.

Aufgrund des großen Zulaufs wurde im September 2006 eine zweite Gruppe eingerichtet. Seitdem trifft sich die Selbsthilfegruppe immer monatlich, während der Elterntreff alle zwei bis drei Monate zusammenkommt. Dort treffen sich jene Eltern, die bereits einige Jahre in der Selbsthilfegruppe dabei waren und nun noch über die Zeit gewachsene Freundschaften pflegen möchten.

Cholewinski: „Durch diese tiefe Verbundenheit, völlig unabhängig von sozialen Stellungen, haben sich Eltern zusammengefunden, die auch über die Gruppe hinaus Kontakt halten.“ In den vergangenen zehn Jahren habe es einige Momente gegeben, wo angesichts des schlimmen Leids auch sie sprachlos gewesen ist. „Das erste zaghafte Lächeln der Eltern und die sichtbare neue Kraft entschädigt allerdings für alles“, sagt sie. Nicht nur Gabriele Persicke und ihre Familie sind ihr dafür sehr dankbar.