Chefarzt: Verrohung ist überall zu spüren
Der 24-Jährige ist nicht mehr im künstlichen Koma. Thomas Standl behandelt den Hildener, der von zwei Schlägern brutal verletzt wurde und wohl ein Leben lang behindert bleiben wird.
Hilden/Solingen. Am Donnerstag hat Karel (Name geändert) seine Schädeldecke wieder eingesetzt bekommen. Vor drei Wochen hatten ihm die Ärzte am Städtischen Klinikum Solingen den Kopf geöffnet, ein kreisrundes Stück aus der Decke entfernt und für eine Übergangszeit in seine Bauchhaut eingenäht, damit es versorgt bleibt und nicht abstirbt. Dann haben Professor Thomas Standl und sein Team das überschüssige Blut zwischen Hirn und Schädelwand abgesaugt, das bei der Quetschung entstanden war, haben den Kopf mit Haut geschlossen und gewartet — darauf, dass Karels Gehirn wieder abschwillt. Diese Operation ist gelungen, der junge Mann ist über den Berg.
Thomas Standl, Chefarzt
Soll heißen: „Lebensgefahr besteht nicht mehr. Aber er wird mindestens Merk- und Gedächtnisstörungen zurückbehalten“, so der Chefarzt der Neurochirurgie am Klinikum, das als überregionales Traumazentrum auf die Versorgung von Schwerstverletzten spezialisiert ist. Der Patient liegt weiter auf der Intensivstation dort, aber nicht mehr im künstlichen Koma. Koma und ein extremes Herunterkühlen des Körpers dürften ihm das Leben gerettet haben, wochenlang galt sein Zustand als „hochkritisch“.
Erst die nächsten Monate werden aber zeigen, ob Karel nicht sprachbehindert oder halbseitig gelähmt bleibt: „Der Vorgang ist, als ob eine Bombe in einer Schaltzentrale gezündet worden wäre und wir noch nicht absehen können, was alles beschädigt ist“, zieht Standl einen Vergleich.
Anfang November hatten zwei bisher unbekannte Männer den 24-jährigen Hildener nachts auf dem Fritz-Gressard-Platz angegriffen, ihn geschlagen und auf ihn eingetreten, als er am Boden lag. Und zwar mit Stiefelabsätzen auf den Kopf und in das Gesicht. Die Tritte waren so massiv, dass sie ihrem Opfer einen Schädelbruch und schwere Hirnquetschungen zufügten, von denen der Arzt sagt, dass sie bei einem älteren Mann unweigerlich zum Tod geführt hätten. „Unserem Patienten kommt seine Jugend und seine gute allgemeine Verfassung zugute.“ Auch haben sich die Behandlungsmöglichkeiten verbessert: Noch vor zehn Jahren wäre auch der junge, fitte Karel an den Folgen dieser Tritte gestorben. „Diese unfassbare Brutalität erschüttert mich sehr“, sagt der Arzt. „Die Verrohung ist überall zu spüren.“
Die Polizei hat inzwischen einige ernst zu nehmende Hinweise auf die möglichen Täter erhalten und geht diesen gerade nach. Gesucht werden zwei etwa 18 bis 30 Jahre alte Männer, die „südländisch“ ausgesehen haben. Ein Mann wird als etwa 1,70 Meter groß, untersetzt und korpulent beschrieben. Er hatte dunkle Haare, kurze Seitenpartie mit längerem, nach hinten gegeltem Haupthaar. Der Mann trug einen Vollbart und eine schwarz-rote Kappe. Der zweite Täter soll klein und schmächtig gewesen sein. Er hatte dunkle kurze Haare und soll eine schwarze Jacke getragen haben. Offenbar kannten Täter und Opfer sich nicht. Der 24-Jährige ist Osteuropäer, wohnt bei seiner Großmutter und hat offenbar keine weiteren Angehörigen hier. Er war Azubi in einem Betrieb der Hildener Region — ob und wann er seine Ausbildung fortsetzen kann, ist völlig offen.
„Sollten diese unsere Ermittlungen nicht erfolgreich sein“, sagt Polizeisprecherin Claudia Partha, „ist eine öffentliche Fahndung mit allen uns verfügbaren Mitteln nicht auszuschließen.“ Doch so weit sei man noch nicht.