Die Regeln im Kinderheim sind fast 100 Jahre alt
Ein Gespräch mit den Kindern im Haus „Waldesruh“ über die Hausordnung von damals und heute.
Hilden. „Das Kinderheim bietet für kürzere oder längere Zeit evangelischen Voll- und Halbwaisen und Kindern, welche die Sorge der Eltern entbehren müssen, Zuflucht.“ Dies besagt Paragraf eins der „Hausordnung für das Kinderheim in Hilden“. Die wurde 1917 verfasst. Die wesentlichen Aussagen sind aber heute noch gültig. Geändert haben sich im evangelischen Kinderheim lediglich die Details.
„Die Konfession spielt keine Rolle mehr“, sagt Hans Delcuve (56). Er leitet die Einrichtung im 100 Jahre alten Haus „Waldesruh“ an der Lievenstraße seit 1997. Auch sind die aktuell 15 Bewohner des Kinderheims und sechs jungen Erwachsenen im betreuten Wohnen keine Voll- oder Halbwaisen. „Unsere Kinder haben Eltern, mit denen sie Probleme haben“, sagt Delcuve.
„Ohne Wissen und Genehmigung der Vorsteherin darf kein Hausbewohner das Haus verlassen.“ So lautet Paragraf zwei der alten Hausordnung. Auch der hat sich nur in Details geändert: Aus der Vorsteherin im anfangs von den Kaiserswerther Diakonissen geführten Haus ist ein Heimleiter geworden. „Wir müssen uns aber immer noch abmelden, wenn wir das Gelände längere Zeit verlassen“, sagt Sarah (13). Sie lebt seit eineinhalb Jahren im Kinderheim.
Weniger strikt wird heute die in der Hausordnung von 1917 festgeschriebene Nachtruhe gehandhabt. „Um 10 Uhr abends ist das Haus geschlossen“, heißt es dort. „Ich darf bis 22 Uhr draußen bleiben. Die Älteren dürfen länger weg“, sagt Michelle (15). Seit vier Jahren lebt sie an der Lievenstraße und gehört damit zu den „alten Hasen“. Wann die Kinder ins Bett müssen, hängt von ihrem Alter ab. „Bei besonderen Anlässen bekommen unsere Älteren auch mal den Hausschlüssel“, sagt Delcuve.
Keine Abstriche wurden seit 1917 an den in Paragraf neun der damaligen Hausordnung festgehaltenen Verpflichtungen gegenüber den Bewohnern gemacht: „Das Kinderheim nimmt das betreffende Kind in ganze Pflege und gewährt demselben ausreichend Nahrung, Wäsche und Unterkleidung, gesunde Wohnung und gute Erziehung.“
Das wissen die heutigen Bewohner zu schätzen — nach einer gewissen Eingewöhnungszeit. „Ich wollte gar nicht hier sein, jetzt fühle ich mich zuhause“, sagt Michelle. Auch wenn manche Tage „schon anstrengend“ sind, wie die 15-Jährige sagt. Zum Beispiel jetzt in den Ferien. „Da würde ich morgens gerne länger schlafen“, sagt Laura (13). Dafür sei es aber zu laut im Haus.
Als „Frischling“ (Laura lebt erst zwei Wochen im Kinderheim) hat sie sich noch nicht an das manchmal lautstarke Miteinander gewöhnt. In der kurzen Zeit hat sie aber schon die Vorteile ihrer Unterbringung erfahren. „Mir gefällt, dass ich hier Freunde habe“, sagt sie. Zu verbessern gibt es aus ihrer Sicht nur eins: „Der Flur müsste mal renoviert werden.“ Die 100-jährige Geschichte des Hauses hat dort Spuren hinterlassen.