Ein Gästebuch wandelt sich zum Kunstwerk

Besucher des Kunstraums im Gewerbepark-Süd verewigten sich auf besondere Weise.

Hilden. Es ist nicht ein Gästebuch, in das sich seit 2001 Besucher des Kunstraum Gewerbepark-Süd eingetragen haben. Nein, es sind mittlerweile zwei dicke, schwarz-ledern-glänzende Folianten. Zusammen mit Hans-Jürgen Braun darin zu blättern, in Erinnerungen an mehr als 200 Veranstaltungen zu schwelgen und manch Kurioses auf den individuellen Buchseiten zu finden, ist ein Vergnügen.

Das fängt schon mit der — noch unbeschriebenen — Herkunft dieser Prachtexemplare der Buchmacher-Kunst an: „Sie stammen von einem Gebetsbuchverlag aus Schärding in Österreich.“, verrät der Käufer, der zusammen mit seinem Bruder Karl-ernst Braun die schöne Sitte, dass Gäste sich bei einem Besuch schriftlich äußern — und damit Dank, Lob, Glückwünsche, manchmal sogar Kritik zum Ausdruck bringen — fortführen wollte.

„Gästebuch“ ist in den Titel des dicken Leder-Einbands geprägt. Dezent „Kunstraum Gewerbepark-Süd“ unten rechts ergänzt. Das gibt den Mantel für feinste Bütten-Papier-Seiten mit Goldschnitt. Kostenpunkt rund 200 Euro. „Wir hatten damals das Gefühl, dass sich der Kunstraum etabliert hatte. Künstler und Gäste sollten sich äußern können“, erzählt Braun.

So kommt es, dass heute in Alben, die ursprünglich einer altehrwürdigen Tradition gewidmet waren, kleine Kunstwerke, moderne Skizzen, skurrile Collagen einerseits, andererseits Bonmots, Lobesworte und Kunstkritik zu finden sind. Beim Blättern ist einer immer präsent: Willy Bitter, der vor 20 Jahren die erste Ausstellung im Kunstraum bestritt und mit „Bittergedanken“ aktuell auf sich aufmerksam macht.

Gefühlt zu allen 114 Kunst-Ausstellungen (davon 90 in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt der Stadt Hilden) war er dabei. Engels-Zeichnungen und das Bleistift-Kreuz vor seinem Namen beweisen das. Kirsten Graf, auch keine Unbekannte in der Hildener Kunst-Szene, garnierte das Buch mit eigenen Kohle-Skizzen nackter Menschen und klugen Gedanken. Überhaupt sind viele bekannte Künstler aus Hilden und Umgebung auch immer schreibend präsent.

Als Henriette Astor und Friedel Warhus 2012 ausstellten, kamen auch Kommentare der damaligen Grundschulklasse 3a der Adolf-Reichwein-Schule: Ganz viele Menschen — selbst gemalt mit Buntstiften. Individuelles findet sich viel auf dem Papier: „Ich habe meine Mutter entdeckt“. „Ich habe meinen Pastor wieder erkannt.“ Das schreiben Gäste als Kommentare zur vielbeachteten Porträt-Ausstellung von Hans-Peter Feldmann. „Auch ich war hier. Es war nett.“, verewigte sich Campino von den „Toten Hosen“ anlässlich einer Kunstversteigerung im Jahr 2003. Prominenz zeichnet das Gästebuch des Kunstraums besonders aus: Einerseits weil Werke international bekannter Künstler wie Jörg Immendorf, Günther Uecker, Heinz Mack oder K.O Götz ausgestellt wurden. Andererseits, weil Politiker wie Peer Steinbrück oder Garrelt Duin sich eintrugen.

Das Gästebuch liegt bei jeder Veranstaltung aus. Nicht nur bei Ausstellungen, sondern auch beim Unternehmertag, der Eröffnung der Jazztage oder einer besonderen Feier, etwa dem 100. Geburtstag des Helmholtz-Gymnasiums, das beide Brüder Braun besuchten. Die Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt macht die ehemalige Industrie-Halle seit zwei Jahrzehnten zum Treffpunkt für Künstler, Unternehmer, Musiker. Auch für Kinder: „Wir haben heute zum ersten Mal was in echt gesehen“, ist zu lesen. Oder Kunst-Kritisches ausgerechnet zu dem so fröhlich-bunten Ottmar Alt von einem Zehntklässler: „Ich finde die Ausstellung echt „Sch...!“ Nach 20 Jahren wird nun Band zwei des Gästebuchs zugeklappt. Hans-Jürgen Braun fährt wieder nach Österreich und wird Nummer drei kaufen. Darin dürfen sich dann die Besucher der ersten Ausstellung 2018 „Resonanz“ im neuen Jahr eintragen.