Ein Mord im Fabry-Museum?

Der Rechtsmediziner Michael Tsokos von der Berliner Charité hat eine Ausstellung über sein Berufsfeld konzipiert.

Hilden. „Halt, Polizei“ ist auf dem rot-weißen Flatterband zu lesen. Die markante Plastikbanderole markiert den Tatort. Offensichtlich wurde Anna M. in ihrem eigenen Wohnzimmer mit einem Kronleuchter getötet. „Das ist eine typische Situation, wie wir sie tagtäglich vorfinden“, erklärt Michael Tsokos. Seit 2007 ist der Rechtsmediziner Chef des gleichnamigen Instituts an der Charité Berlin.

„Vom Tatort ins Labor — Rechtsmediziner decken auf“ heißt die von ihm maßgeblich konzipierte Ausstellung, die nun im Fabry-Museum zu sehen ist. „Das ist hier kein Leichenzirkus. Wir versuchen, unseren Alltag näher zu bringen“, erklärte der 45-jährige Mediziner anlässlich der Ausstellungseröffnung im Hotel am Stadtpark. „Erst dachten wir, die rechtsmedizinische Arbeit sei nicht darstellbar. Aber es geht doch.“

Aufgeteilt auf zwei Räume wird nun mit verschiedensten Exponaten gezeigt, womit es die Fachleute jenseits der Krimiillusion aus Fernsehserien zu tun haben. „Wir bekommen übrigens ständig Anfragen von Film- und Fernsehteams“, sagt Michel Tsokos, der seit 1997 in seinem Traumberuf tätig ist: „Während meines Medizinstudiums wollte ich alles werden: Neurologe, Anatom — jedes Fach begeisterte mich. Und in der Rechtsmedizin läuft alles zusammen. Man lernt ständig dazu.“

„Die Nachfrage und Beratung ist enorm, der Tatort Berlin nutzt unsere Infos regelmäßig.“ In der Ausstellung wurde aus verschiedenen realen Fällen ein fiktives Szenario erstellt. „Die erste Frage im Fall Anna M. ist: Liegt bei der 78-Jährigen ein Tötungsdelikt vor, oder ist sie verunfallt?“

Mit Klebefolien werden Faserspuren gesichert, an die Wand gepinnte Pfeile zeigen der Spurensicherung, wo was fotografiert werden soll; und sie markieren zugleich verschiedene Messpunkte für die 3-D-Kamera, mit der sich Tathergänge rekonstruieren lassen. Verschiedene Fotostrecken dokumentieren die Arbeit in der Pathologie, Asservatenröhrchen für die giftchemische Untersuchung und Einblicke in den Sektionssaal inklusive.

2100 Obduktionen nehmen er und sein Team im Jahr vor. Wer eines unnatürlichen Todes gestorben ist, dem kommen der Pathologe und seine Leute fast immer auf die Schliche. „Dabei helfen hochwissenschaftliche Nachweistechniken und Erfahrung.“ Der Experte erkennt auf den ersten Blick, dass die auf einem Bild dargestellten Schnittwunden beispielsweise selbst beigebracht worden sein müssen. „Dafür sprechen die leicht zu erreichende Stelle am Bauch und die Parallelität der Schnitte.“

Trotz aller Kompetenz bleiben nach validen Hochrechnungen etwa 1000 bis 1200 Tötungsdelikte unentdeckt. „Das Leichenschauwesen in Deutschland ist rückständig“, sagt der Fachmann. Jeder Hausarzt kann einen solchen Totenschein ausstellen.

Bescheinigt ein unerfahrener Arzt ein natürliches Dahinscheiden, bleibt mitunter ein Verbrechen unentdeckt. „Denn wir können ja nur dort nachforschen, wo wir eine Leiche auf den Tisch bekommen.“

Fazit: „Vom Tatort ins Labor — Rechtsmediziner decken auf“ ist eine spannende Ausstellung mit ungeahnten Einblicken, die gerade wegen der sachlich-nüchternen Distanz sehenswert ist.