Gerhart-Hauptmann-Hof: Die Siedlung mit dem harten T
Vor 60 Jahren wurden die Häuser am Gerhart-Hauptmann-Hof gebaut und bezogen. Brigitte Rasche wohnt seit Anfang an dort.
Hilden. Schmale Reihenhäuschen, deren Türen ohne Vorgarten gleich auf die Ringstraße führen, liegen still in der Frühlingssonne. Ihren Einkauf tragen einige ältere Frauen von der St.-Konrad-Allee herüber. Nichts weist den Besucher darauf hin, dass dort Menschen seit Jahrzehnten leben, deren Familien vor den Kriegswirren in Europa flüchten mussten.
Drei Wohnanlagen in Hilden sind Zeugen der Zeit, als Vertriebene eine neue Bleibe suchten. 1950 wurde als Erstes der Eichendorffhof für 6000 Bewohner fertig, dann der Agnes-Miegel-Hof im Hildener Norden. Die größte Anlage mit Siedlungshäusern ist der Gerhart-Hauptmann-Hof. Er wurde vor 60 Jahren gebaut.
Brigitte Rasches Familie stammt aus Schlesien: „Wir kamen im September 1951 hier her, da war ich elf Jahre alt“, sagt die frühere Wäschereibesitzerin. Im Rheinland gebe es Arbeit und es würden Häuser für Flüchtlinge gebaut, habe es geheißen. „Es lebt sich jetzt menschlich“, hatte die Hildener Zeitung damals gemeldet, aber die Wohnverhältnisse waren auch für damalige Begriffe beengt: Immer zwei Familien teilten sich ein Häuschen mit vier Zimmern und einer Toilette. „Wie einfach das alles war“, sagt Rasche. Eine Wäscheleine quer über die Wiese nutzten die Familien abwechselnd, die Kinder wurden im Waschzuber gebadet.
Bäder bekamen die Häuser am Gerhart-Hauptmann-Hof erst, nachdem die Stadt sie Anfang der 1960er-Jahre an die Bewohner verkauft hatte. „Jeder hat nach seinen Vorstellungen was daraus gemacht“, sagt die 71-Jährige. Mansarden seien ausgebaut worden, in einigen Häusern gebe es jetzt Durchbrüche von der Küche zum Wohnzimmer.
Brigitte Rasche hat immer dort gelebt. Mit ihrem Mann bezog sie 1959 ein eigenes Zimmer, ihr Sohn Andreas wohnt mit seiner Frau und vier Kindern im früheren Haus der Großeltern.
„Gerhart mit hartem T Hauptmann — das wird oft falsch geschrieben“, sagt Jutta Stephan. Die 50-Jährige wohnt seit zwei Jahren neben Familie Rasche. Mit den Namen der schlesischen Dichter, nach denen die Siedlungen benannt sind, könnten Viele nichts mehr anfangen.
Vor drei Jahren hatte es einmal Aufregung um Agnes Miegel gegeben. Die Balladendichterin, die von dem nach ihr benannten Sträßchen wusste, hatte sich während der Nazizeit enthusiastisch über die Machthaber geäußert. Dem Antrag der Bürgeraktion, die Straße neu zu benennen, wurde vom Rat aber nicht gefolgt.
Walter Corbat (69) wohnt seit zwei Jahren in einem neuen Abschlussbau des Gerhart-Hauptmann-Hofs. Er schätzt die Nachbarschaft mit netten Leuten: „Es ist wie ein kleines Dorf mitten in der Stadt.“