Katastrophe für die Region Einzige Krankenhäuser in Hilden und Haan werden geschlossen

Hilden/Haan · Die Kplus-Gruppe hat am Mittwoch die Belegschaft über die Schließung der beiden Krankenhäuser in wenigen Monaten informiert. Das berichten Mitarbeiter aus der Versammlung.

Noch vor kurzem demonstrierten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Haaner Krankenhauses gegen die Schließung.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Die Kplus-Gruppe wird ihre Krankenhausstandorte in Hilden und Haan schließen. Das bestätigte am Mittwoch eine Sprecherin, nachdem die Mitarbeiter in Vollversammlungen darüber informiert worden waren. „Das bedeutet ganz konkret: Wir müssen weit über 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, darunter 150 Auszubildende in der Pflege. Die Genesis als eine der größten Inklusionsgesellschaften für Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen mit rund 170 Beschäftigten versuchen wir durch weitere externe Neukunden zu stabilisieren“, erklärte Stefan Denkhaus, Generalbevollmächtigter der Kplus-Gruppe. Laut eines Insiders soll die Schließung bereits Ende Januar vollzogen werden.

Die Vorgeschichte: Die Geschäftsführung der Kplus-Gruppe hatte am 23. Juni dieses Jahres überraschend mitgeteilt, dass sie ein Schutzschirmverfahren beantragt habe. Von der Insolvenz betroffen sind die drei Klinikstandorte St. Lukas in Solingen, St. Josef in Haan und St. Josefs in Hilden sowie das Inklusionsunternehmen Genesis. Daraufhin orientierte sich offenbar viele Mitarbeiter um: Die komplette neurologische Abteilung mit Stroke Unit (Spezialstation für Schlaganfall-Patienten) der St.-Lukas-Klinik in Ohligs wechselt zum 1. Januar zum Städtischen Klinikum Solingen. Die lukrative Einheit sollte mit der geplanten Schließung von St. Lukas 2024 eigentlich ans Hildener St.-Josefs-Krankenhaus umziehen, andere Abteilungen sollten in Haan untergebracht werden. Während das Städtische Klinikum betont, dass kein aktives Abwerben stattgefunden habe, fand Kplus-Geschäftsführer Kai Siekkötter deutliche Worte: „Das Klinikum hat Kannibalismus betrieben“, sagte er.

Das Hildener Krankenhaus sollte eigentlich für 50 Millionen Euro umgebaut und vergrößtert werden. Doch jetzt wird es geschlossen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Durch den Wechsel der kompletten Einheit wurde jedenfalls der ursprüngliche Plan der Klpus-Gruppe obsolet. Kplus hatte daraufhin seinen Antrag für die neurologische Versorgung in Solingen sowie im südlichen Kreis Mettmann beim NRW-Gesundheitsministerium zurückgenommen – und in einem ersten Schritt den Fortbestand des Haaner Krankenhauses infrage gestellt.

Noch am Freitagabend hatten sich Landrat Thomas Hendele sowie Haans Bürgermeisterin Bettina Warnecke und ihr Hildener Kollege Claus Pommer bei der Konferenz zur Krankenhausplanung für die Region Solingen/Kreis Mettmann im NRW-Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales für die beiden Standorte ins Zeug gelegt: „Die beiden Krankenhäuser sind unverzichtbar für die wohnortnahe medizinische Versorgung im Kreis, besonders natürlich in unseren beiden Städten. Dies erkennt auch das Ministerium an, indem es für beide Häuser sogenannte Leistungsgruppen zuweisen will. Damit werden den Krankenhäusern wichtige und grundlegende medizinische Angebote zugesprochen, zum Beispiel in der Chirurgie, Inneren Medizin und Orthopädie. Damit ist die wirtschaftliche Basis der beiden Krankenhäuser anerkannt und gelegt. Beide Häuser können auf dieser Basis auch in Zukunft für die Menschen in unserer Region da sein.“ Das klang noch sehr optimistisch.

Die Kplus-Gruppe interpretierte den Termin im Ministerium jedoch anders: „Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen verhindert, dass die Kplus-Gruppe ihre Geriatrie an den Standort in Hilden verlagert“, erklärte eine Sprecherin. Damit widerspreche das Ministerium dem positiven Votum der Kostenträger. Diese hätten im September die Pläne der Kplus-Gruppe positiv quittiert und die gesamten Leistungsgruppen bestätigt. „Die Kostenträger haben uns ihre Unterstützung für alle Bereiche zugesagt, und auch das Land hatte uns vor wenigen Wochen noch signalisiert, dass es unsere Pläne unterstützt und das Planungsverfahren Anfang Oktober beendet sein wird. Letzteres hat das Ministerium auch den Medien gegenüber bestätigt“, erklärt Kai Siekkötter weiter. Nunmehr sei eine endgültige Entscheidung für November angekündigt. Dabei, so Siekkötter, stehe man unter Zeitdruck. „Das Land weiß um unser Insolvenzverfahren und dass wir verbindliche Aussagen brauchen.“ Stattdessen habe das Ministerium am Freitag Vertreter aller Krankenhäuser, die Bürgermeister der beteiligten Städte und den Landrat des Kreises sowie die Kostenträger nach Düsseldorf geladen, um über die stationäre Gesundheitsversorgung im Kreis Mettmann zu sprechen. „Mit dem Ergebnis: Die Geriatrie soll nicht von der St.-Lukas-Klinik in Solingen nach Hilden verlegt werden. Und es hieß, diese Entscheidung sehr wahrscheinlich unumstößlich“, so die Sprecherin weiter.

20 000 stationäre und 32 000 ambulante Patienten betroffen

Das habe zur Folge, dass die Kplus-Gruppe ihre drei Standorte in Solingen, Haan und Hilden schließen muss: „Nach dem Verlust der Neurologie ist das der zweite schwere Schlag. Das können wir wirtschaftlich nicht kompensieren“, so Stefan Denkhaus.

Von der Schließung seien auch 20 000 stationäre und 32 000 ambulante Patienten direkt betroffen. „Wie die verbleibenden Krankenhäuser das auffangen wollen, ist mir schleierhaft“, erklärt Kplus-Geschäftsführer Siekkötter.

„Klar, rechnen sich das alle erst einmal schön und freuen, sich, wenn sie ihre Betten nach Corona wieder füllen können. Man muss aber auch ehrlich sein: 20 000 Patienten von heute auf morgen mehr zu behandeln, dafür sind die Einrichtungen allein räumlich nicht ausgelegt.“ Die Lage der verbleibenden Häuser bedeuteten laut Siekötter lange Anfahrtswege für den Rettungsdienst und für die Patienten. Allein 20 000 Rettungswagenfahren hatten pro Jahr eine der drei Kliniken in Ohligs, Haan und Hilden zum Ziel, rechnet er vor.

An der Politik lassen die Kplus-Verantwortlichen kein besonders gutes Haar: Stefan Denkhaus: „Ich verstehe nicht, dass von Seiten der Politik zumindest billigend in Kauf genommen wird, dass über 50 000 Patientinnen und Patienten jetzt von den umliegenden Krankenhäusern versorgt werden sollen, worauf sie baulich und personell nicht vorbereitet sind. Ich hoffe wirklich, dass das funktionieren wird.“ Im Kreis Mettmann werde es in Zukunft nur noch vier Krankenhäuser geben. „Es sind politische Entscheidungen in den letzten Tagen und Wochen getroffen worden. In einigen Fällen hat man nicht mit uns, sondern über uns und unsere Köpfe hinweggesprochen, deshalb kann ich die Entscheidung gegen uns nur als politische Entscheidung werten, denn das Votum der Krankenkassen war eindeutig für uns, unsere Leistungen und unsere Mitarbeiter“, so Siekkötter.

Die Hildener Grünen reagierten als erste auf die Nachricht: „Wie kann es sein, dass laut Landrat Hendele ein auskömmliches Wirtschaften möglich sei, die Kplus-Gruppe aber trotzdem schließen will? Die Hildener Bevölkerung muss erfahren, aufgrund welcher Zahlen ihr Krankenhaus geschlossen werden soll“, erklärte Helen Kehmeier, Fraktionsvorsitzende der Grünen und examinierte Krankenschwester.

Ihr Fraktionskollege Abdullah Dogan erklärt: „Das Hildener Krankenhaus ist ein Krankenhaus der Grundversorgung. Ein Krankenhaus, in dem Hildener Kinder zur Welt kommen, unsere Omas mit einem gebrochenem Oberschenkelhals gut versorgt sind und unsere Onkel schnelle Hilfe bei seinem Herzinfarkt bekommen. Können wir es uns leisten diese Daseinsvorsorge aufzugeben?“