Kleinod der Kirchengeschichte
Hobbyhistoriker Lothar Weller hat ein lange vermisstes Büchlein wiederentdeckt.
Gruiten. Es ist nicht viel größer als eine Postkarte, historisch aber von großem Wert: Das älteste Kirchenbuch der katholischen Gemeinde St. Nikolaus. Es enthält Aufzeichnungen der Jahre 1658 bis 1723. Nachdem es lange als verschollen galt, hat Lothar Weller (64), Vorsitzender der Haaner Abteilung des Bergischen Geschichtsvereins, das Original wiederentdeckt.
„Von einem Buch zu sprechen, ist eindeutig übertrieben, was die Maße angeht“, sagt Hobbyhistoriker Weller. Die Größe war genau der Kniff beim historischen Schatzfund. Der Gruitener Günter Schruck hatte eine Abschrift des Kirchenbuchs vor einiger Zeit zwecks Ahnenforschung im Personenstandsarchiv Brühl „ausgegraben“ und im Jahr 2002 eine Bearbeitung herausgegeben.
Das Original kannte Schruck allerdings auch nicht. Ein Foto aus dem Archiv der Brüder Breidbach brachte Lothar Weller wieder auf die Spur des historischen Werkes. Auf dem Foto waren aufgeschlagene Seiten eines Buches mit Einträgen aus dem Jahre 1675 zu sehen.
Eine erste Recherche im Archiv der katholischen Gemeinde verlief zunächst erfolglos — denn Weller hatte nicht damit gerechnet, dass das Buch so klein ist. „Der Gedanke, das gesuchte Kirchenbuch könnte ein unscheinbares, winziges Büchlein ohne Beschriftung auf dem Deckel sein, kam mir gar nicht in den Sinn“, gibt Weller zu. Erst ein Jahr später, als Weller alle vorhandenen Werke intensiv in Augenschein nahm, fand er es.
„In der papiernen Hinterlassenschaft sind auf rund 100 Seiten Taufen, Heiraten und Beerdigungen aus 65 Jahren enthalten. Die Schrift ist größtenteils auf Latein.“ Lothar Weller hat alle Seiten eingescannt und damit digital gesichert, damit das Kleinod beim Lesen nicht weiter beschädigt wird. Das Büchlein liegt jetzt verpackt in einer säurefreien Schutzhülle im Tresor.
Neben einer Taufpatenliste von zwei Mädchen aus dem Adelshaus Schöller, die das „who is who“ der lokalen Adeligen aus der damaligen Zeit zeigt, enthält das Kirchenbuch eine weitere geschichtliche Anekdote. Es enthält nämlich nicht nur Informationen über die Vorgänge in der katholischen Gemeinde. Im Jahre 1675 notierte der damalige Pastor an einer freien Stelle zwischen den Taufeinträgen auch die „Geburt“ der reformierten Gemeinde. Seit einem Jahr hielten „Abtrünnige der Pfarrgemeinde“ öffentliche Gottesdienste. Mit Thomas Kolhagen hätten sie sogar einen eigenen Prediger.
Bei der reformierten Gemeinde ist der Eintrag bekannt, seit vor 90 Jahren der katholische Pfarrer seinem reformierten Amtskollegen eine Abschrift gegeben hatte. Den originalen Wortlaut hat der Pfarrer aber nicht übermittelt — wohl aus gutem Grund.