Kursstart im April Hilden sucht neue Leihgroßeltern

Hilden · Im November werden sie zehn Jahre alt: Seit 2014 gibt es in Hilden Leihgroßeltern. Nun startet ein neuer Ausbildungskurs. Mit welchen Problemen das Projekt zu kämpfen hat und welche Perspektiven es besitzt.

 Hedwig Reusch-Strassmair und Helma Uebbing absolvierten die Ausbildung zur Leihgroßmutter.

Hedwig Reusch-Strassmair und Helma Uebbing absolvierten die Ausbildung zur Leihgroßmutter.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Eigentlich müsste das ein Grund zum Feiern sein: Vor zehn Jahren wurden die Leihgroßeltern in Hilden ins Leben gerufen, tatsächlich aber klagen sie zurzeit über Nachwuchssorgen. Und das liegt nicht daran, dass die chronisch schwache Geburtenrate in Deutschland (aktuell 1,3 pro Frau) viel zu wenige Kinder produziert, um die sich die älteren Semester kümmern können. Es fehlt vielmehr an einer ausreichenden Zahl an Menschen, die sich um die übernächste Generation kümmern wollen. Rund 20 Familien seien derzeit unversorgt, berichtet Heike Cremerius von der Arbeiterwohlfahrt.

Das soll sich ändern. Aus diesem Grund können Menschen ab Freitag, 12. April, im Bürgerhaus einen Kurs der Volkshochschule belegen, der sie für die Aufgabe fit macht. Vier weitere Termine wird es geben (13., 19., 26. und 27. April). Das Angebot ist kostenlos. Für weitere Informationen stehen Mitarbeiter der VHS unter der Telefonnummer 02103 500530 als Ansprechpartner zur Verfügung.

Was ist eigentlich die Aufgabe von Leihgroßeltern? Einfache Antwort: sich kümmern, und zwar ganz zwanglos, so wie es auch biologische Großeltern tun würden. „Wir backen, kochen und spielen meistens bei mir zu Hause“, erzählt Hedwig Reusch-Strassmair über ihren Alltag als Leihgroßmutter. Auch Vorlesen steht hoch im Kurs. Beide Generationen sollen von den gemeinsamen Aktivitäten profitieren. „Die regelmäßigen Treffen holen mich vom Sofa runter“, sagt ein Mann, der dank der mittlerweile zehn Jahre währenden Begegnungen mit seinem Enkel der Wahl nun den Wert von Pokémon-Karten kennt und unter einem Tablet nicht mehr das Brett versteht, auf dem man sein Geschirr zum Esstisch trägt.

„Die Chemie muss stimmen“, nennt Heike Cremerius die wesentliche Bedingung für das Miteinander der Generationen. Ganz wichtig ist bei allen Beteiligten das Bewusstsein, dass Leihgroßeltern kein Ersatz für eine regelmäßige Kinderbetreuung sein sollen. Die Präferenzen von Senioren, Kindern und ihren Familien werden im Vorfeld geklärt. Das können zum Beispiel gemeinsame Hobbys und Interessen sein. Auch das Alter kann eine Rolle spielen, denn bei so manchem lebhaften Kind könnte ein nicht mehr ganz so rüstiger Rentner vermutlich schnell an seine Grenzen stoßen.

Aktuell sind in Hilden zwölf Leihgroßeltern aktiv. Fünf sind aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht in der Lage, sich um Kinder zu kümmern. Für vier weitere Freiwillige findet sich aktuell nicht die passende Familie. Und leider gehört auch das zur Wahrheit: Nicht immer funktioniert das Miteinander. So berichtet Cremerius von einer gescheiterten Leihgroßelternschaft, weil die Eifersucht der biologischen Großeltern dazu führte, dass das Kind am Ende zwischen allen Stühlen saß. In solchen Fällen sei ein Abbruch der Beziehung ratsam. Die Arbeiterwohlfahrt und weitere Beteiligte wie zum Beispiel das Stellwerk im Bürgerhaus an der Mittelstraße begleiten die Leihgroßeltern und die Familien so oder so im Hintergrund.

Die meisten Leihgroßeltern sind 60 bis 85 Jahre alt. Beim Mindestalter gebe es keine Vorgabe, so Cremerius. Sie berichtet von einem 60-Jährigen, der schon seit Jahren dabei sei. Eine Bedingung müssen alle Bewerber erfüllen: Für ihre Rolle müssen sie ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen können. Ein solches Dokument benötigen Personen, die an Schulen oder in Vereinen in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sein wollen. „Wir sollten den Kinderschutz hochschrauben“, betont der Beigeordnete Sönke Eichner. Das Führungszeugnis werde zukünftig zudem alle fünf Jahre erneuert werden müssen, kündigt Eichner an.

Eichner nennt die Leihgroßeltern ein Projekt, „das sich wirklich bewährt hat“. Folgerichtig startet im April zum siebten Mal in den vergangenen zehn Jahren die Ausbildung. Eichner wundert sich, dass so wenige andere Städte dieses Modell kopieren. Der Bedarf sei jedenfalls vorhanden, pflichtet ihm Cremerius bei, die in der Vergangenheit bereits potenziellen Bewerbern aus Haan eine Absage erteilte.