ME/CFS-Aktionstag am 12. Mai in Gruiten „Wir werden kaum gesehen, unser Leid wird nicht wirklich ernst genommen“

Haan · Ihre schwere Krankheit fesselt sie ans Haus, meist sogar ans Bett. Aber Leona Maihofer gibt nicht auf: Die 29-Jährige malt nach Jahren wieder Bilder und sie organisiert den ME/CFS-Aktionstag. Doch sie hat noch ein paar sehnliche Wünsche.

Leona, schwer an ME/CFS erkrankt, sprudelt vor Ideen. Halb sitzend kann sie wieder Bilder malen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Leona Maihofer sitzt in einem Meer aus Bildern. Leuchtende Farben umgeben die junge Frau, leuchtend strahlen auch die Augen der 29-jährigen, die nach vielen Jahren endlich wieder malt. Mit Pausen zwar, meist im Liegen oder sonst angelehnt im Sitzen, aber sie malt, hat „ihre Kreativität wiedergefunden“, wie sie sagt. Auch, wenn alles, was sie tut, äußerst mühsam ist – das Aufstehen, jeder Schritt, weitere scheinbar einfache Dinge das Haarewaschen und natürlich auch das Malen – geschieht es mit einer ungeheuren Schaffenskraft, das ist ihren Bildern deutlich anzusehen. „Die Ideen sprudeln nur so“, sagt sie glücklich. Das Malen gibt ihr trotz aller Mühsal auch einen Kraftschub, erklärt sie mit ihrem Leona-Lächeln, diesem Lächeln, das zeigt, welch aufgeweckte, witzige und tatkräftige junge Frau, gelernte Kinderkrankenschwester auf der Intensivstation, eigentlich in diesem Körper steckt, der sich nach jedem Pinselstrich erst einmal kurz erholen muss.

Leona leidet an ME/CFS, einer schweren neuroimmunologischen Erkrankung, geprägt von krankhafter Erschöpfung, einer Störung des Immun- und Nervensystems sowie einer Überempfindlichkeit gegenüber Reizen. Die Redaktion hat sie vor einigen Monaten schon einmal besucht, als Leona — wie die meisten vergangen Monate — 22 Stunden am Tag im Bett ihres abgedunkelten Schlafzimmers lag und sich nur für ein kurzes Interview ins Wohnzimmer setzen konnte.

„Das Malen war eine lange, lange Zeit undenkbar. Dass es jetzt geht, dafür bin ich unendlich dankbar. So kann ich Farbe in meinen tristen, oft deprimierenden Alltag bringen, und vielleicht sogar auch in den anderer.“ Denn geplant ist, dass Leona ihre Werke bald auch ausstellen wird, konkrete Infos folgen zu gegebener Zeit. Außerdem ist Leona bald in einem Podcast zu hören: Am Montag, 5. Mai, ist sie im Haaner Podcast zu Gast, zu hören unter https://haanerpodcast.podigee.io und auf allen gängigen Podcast-Plattformen.

Auf die Frage, wie es ihr jetzt geht, antwortet Leona vor allem mit ihren Augen. In diesen ist dieses Strahlen zu sehen, wenn sie auf die Bilder um sich herum schaut, als wollte sie sagen: Sie her, ME/CFS, meine Kreativität ist noch da und ich lasse mich von dir nicht unterkriegen. Gleichzeitig aber senkt die junge Frau rasch wieder den Blick, denn heilbar ist ihre Krankheit bisher nicht, „es ist ein ständiges Auf und Ab“, beschreibt es die 29-Jährige. „Wenn es stressig wird, ist es bei mir nicht damit getan, einen Spaziergang zu machen oder Wellness, um mich wieder zu entspannen“, erklärt sie. Auch, sich ein leckeres Essen zu gönnen, kommt nicht infrage, da sie kaum etwas verträgt und oft mit Bauchschmerzen zu kämpfen hat. „Wenn ich stressige Tage hatte, muss sich mein kompletter Körper davon erst einmal wieder mindestens genauso lange davon erholen.“

Als es um das geht, was im Mai ansteht, ist ihr dennoch ungebrochener Kampfgeist, ihr Wille, etwas zu bewegen, zu spüren: Am Montag, 12. Mai, ist der offizielle Tag ihrer Erkrankung, und Leona organisiert dazu Aktionen in Gruiten. All das macht sie vom Bett aus, als wäre das überhaupt kein Hindernis, und zwar mit perfekt gestalteten PDFs sowie stets rasch geschriebenen und sprachlich perfekten E-Mails, als säße sie kerngesund in einem bestens ausgestatteten Büro.

Leona möchte, dass sie gesehen wird, und damit meint sie nicht in erster Linie sich persönlich, sondern alle, die an derselben Krankheit leiden wie sie. Daher kämpft sie sich durch den April mit der Organisation des Mai-Tages, für den ihr Traum wäre, dass möglichst viele Privat- und Geschäftsleute ihre Gebäude in blauem Licht, der Symbolfarbe der Krankheit, erleuchten lassen würden. Haans Bürgermeisterin Bettina Warnecke macht auf jeden Fall mit: „Mein Büro wird am 12. Mai natürlich wieder in Blau leuchten, für Leona Maihofer und für alle anderen Betroffenen, die an dieser schweren Krankheit leiden.“ Auch die WLH, die Feuerwehr in Haan und Gruiten, das Haus am Quall, die katholische Kirchen Gruiten, die Metzgerei Rauschmann und Supernah haben bisher schon fest zugesagt.

Das Stichwort lautet „LightUpTheNight4Me“; das blaue Leuchten ist das Zeichen, dass die Menschen sich beteiligen an dem Aktionstag, der an diejenigen erinnern soll, die in ihren Zimmern und Betten mit dieser Krankheit nur allzu oft ein Schattendasein fristen. „Wir werden kaum gesehen, unser Leid wird nicht wirklich ernst genommen“, beschreibt sie, wie sie es in der Vergangenheit nur allzu oft erlebt hat. „Deshalb bedeutet mir der internationale ME/CFS-Tag sehr viel. Ich möchte an diesem Tag geballt die Krankheit in die Öffentlichkeit bringen, damit Betroffene sich verstanden und unterstützt fühlen und weitere Erkrankte schneller den Weg zur richtigen Diagnose finden.“

Denn weil organisch meist keine Krankheitssymptome zu finden seien, erleben Erkrankte oft Diskriminierung aufgrund ihrer Einschränkungen oder auch Gaslighting, erklärt Leona. Letzteres bedeutet, dass Betroffene verunsichert und desorientiert werden, sodass ihr Realitäts- und Selbstbewusstsein leidet. Die junge Frau möchte für ME/CFS Vorurteile abbauen und das Verständnis erhöhen, „natürlich auch in der Zeit vor und nach dem Aktionstag“, denn, so beschreibt sie es in aller Härte: „Sonst werden wir wieder in unseren abgedunkelten Zimmern vergessen.“

Etwa ein Viertel der Betroffenen mit ME/CFS sind bettlägerig, können das Haus nicht mehr verlassen, etwa 60 Prozent werden arbeitsunfähig. Hinzu kommen immer mehr erkrankte Kinder. Eine zugelassene Behandlung gibt es in Deutschland noch nicht, auch wenig offizielle Anlaufstellen, „dabei ist die Krankheit eigentlich relativ weit verbreitet“, berichtet Leona. Vor der Corona-Pandemie waren es rund 250.000 Erkrankte in Deutschland, im Jahr 2023 stieg die Zahl laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung auf 620 000.

Positives Feedback
und auch Hilfsangebote

Das Einzige, was Leona und anderen gegen ihre körperlichen Symptome hilft, ist eine Immunadsorption bei einem Privatarzt. Dafür sammelt sie Spenden, da die Behandlung jedes Mal mehrere Tausend Euro kostet. Im Moment geht es ihr noch ganz gut, die letzte Behandlung ist etwa vier Monate her. Aber spätestens in zwei Monaten wird ihre Haut fahler, werden die Augenringe dunkler, Leona fühlt sich zunehmend schwächer und kann selbst kleinste Tätigkeiten nicht mehr selbst ausführen. „Jeden Tag kann es wieder so weit sein“, berichtet sie aus ihrem Alltag. Für Ostern hat die Familie daher bewusst nichts geplant, an Weihnachten war es das größte Geschenk für ihre Eltern, dass sie es die Treppe hinauf in die Wohnung von Mutter und Vater geschafft hat, die über ihr wohnen.

Dann kam einer der vielen Rückschläge, die die Familie schon hinnehmen musste, seitdem Leonas Krankengeschichte begann: Der Privatarzt, den Leonas Familie nach mühseliger Suche in Frankfurt gefunden hatte, um die Immunadsorptionen durchzuführen, hat mit seiner Arbeit aufgehört. Wieder begann, vom Bett aus natürlich, die Suche, und Leona – sie hat sich durchgekämpft wie immer, wurde fündig. „Wenn jetzt noch die Krankenkassen auch sehen würden, dass nur so etwas Lebensqualität für die Betroffenen zurückkehrt, wäre das einfach wunderbar“, wünscht sich Leona angesichts der teuren Behandlung. „Derzeit sieht es so aus, dass wir wieder Klage gegen die Krankenkasse einreichen müssen, und das ist sehr kräftezehrend.“ Nur nach langem Streit vor Gericht wurden die Kosten für Leonas bisherige Behandlungen teilweise übernommen.

Auf den letzten Artikel gab es sehr viel positives Feedback und auch Hilfsangebote. Noch immer hofft Leona jedoch, dass sich ein Mediziner oder eine Medizinerin meldet, der oder die sich mit ihrer Krankheit auskennt. Unter lmai12985@gmail.com können sich Ärzte oder wer sonst helfen mag, sei es mit Spenden für eine Behandlung oder für freundschaftliche Kontakte zu anderen jungen Frauen, über die sich Leona freuen würde, melden.

(sad lua )