Hilfe für Familien in Hilden Videoaufnahmen für eine bessere Elternrolle

Hilden · Die Mutter/Vater-Kind-Wohngruppe der Graf-Recke-Stiftung hat die deutschlandweit erste Auszeichnung für ein besonderes Programm bekommen. „Marte Meo“ hilft überforderten Eltern.

 Gruppenpädagogin Sarah Smolka (links) bespricht mit der jungen Mutter Celina Videoaufzeichnungen aus dem Alltag mit Kindern.

Gruppenpädagogin Sarah Smolka (links) bespricht mit der jungen Mutter Celina Videoaufzeichnungen aus dem Alltag mit Kindern.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Dinge zu benennen, das helfe ihr und ihrem Sohn sehr, sagt Celina. Wenn die junge Mutter verbalisiert, was sie sieht, in Worte fasst, was ihr Sohn macht und auch, was er fühlt, ist die Spannung aus mancher Situation sofort raus. „Ich sehe, Du bist jetzt furchtbar wütend, weil Du kein Eis zum Frühstück darfst“, zum Beispiel, oder auch „Du setzt den blauen Stein auf den roten, ich kann gut erkennen, dass das ein großer Turm wird.“ Der Sohn fühlt sich gesehen und verstanden, umgekehrt versteht die junge Mutter besser, was in dem Dreijährigen vorgeht.

Celina lebt mit ihren beiden Kindern, drei und vier Jahre alt, im Betreuungsnetzwerk Mutter/Vater-Kind auf dem Gelände des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums zusammen mit vier weiteren Müttern und einem Vater auf je zwei Zimmern in einem der ehemaligen Internatsgebäude, weitere drei Frauen teilen sich mit ihren Kindern ein Apartment als ersten Schritt in eine eigene Wohnung. Die Vorgehensweise des aktiven Benennens von Taten oder Gefühlen ist Teil des Programms „Marte Meo“, welches von den 13 Mitarbeiterinnen und den Bewohnern mit ihren Kindern nicht nur ausgeführt, „sondern gelebt“ wird, wie Fachaufsicht Dimitra Georgiou berichtet.

Videoaufzeichnungen von Situationen, die die Mitarbeiterinnen im Anschluss mit den Müttern und Vätern anschauen und besprechen, helfen den Eltern, zu erkennen, wie sie reagiert haben oder künftig noch besser reagieren können. Für diese Art der Arbeit wurde die Wohngruppe der Graf-Recke-Stiftung jetzt ausgezeichnet – als erste Einrichtung dieser Art in Deutschland.

Gruppenpädagogin Sarah Smolka sitzt in sogenannten Reviews mit Elternteilen wie Celina zusammen und schaut sich Videoaufnahmen aus dem Alltag an. Gefilmt zu werden, sei natürlich im ersten Moment seltsam, auch für die Kinder, erklärt Celina. „Aber es geht lediglich um drei- bis fünfminütige Sequenzen, die natürlich auch nach der Besprechung gelöscht werden“, erklärt Teamleiterin Andrea Prinz. Alle in Marte Meo geschulten Kolleginnen wurden auch selbst einmal gefilmt, um das Gefühl nachvollziehen zu können. Und den eigenen Alltag, Situationen, die angeleitet sind (Morgenroutine) und Situationen, die frei sind (Spiel), im Video zu sehen, helfe den oft überforderten Eltern sehr weiter.

Überfordert war auch Celina, nachdem sie sich vom Vater ihrer Kinder getrennt hatte und mit den Kleinkindern allein war. Sie wandte sich selbst an die Graf-Recke-Stiftung, „ich habe gemerkt, dass ich Hilfe brauche und wollte gern weiterkommen mit meinem Leben.“ Nach Einschaltung des Jugendamtes, welches vor einem Umzug in die Wohngruppe immer eingebunden sein muss, konnte Celina schon wenige Tage nach dem ersten Gespräch einziehen.

Eltern lernen Strukturen
und Umgang mit Kindern

In der Woche wird für die Familien – alle bestehend aus alleinerziehenden Müttern und einem Vater – von einer Hauswirtschafterin gekocht, am Wochenende kocht einer für alle. Geburtstage werden gemeinsam gefeiert und auch Abschiede – denn das große Ziel nach einer gewissen Zeit in der Wohngruppe ist der Auszug in eine eigene Wohnung und damit das selbstständige Leben. Auch Celina hat das Gefühl, dass sie dieses in einiger Zeit meistern wird. „Ich habe hier viel gelernt und weiß, dass ich das schaffen kann.“

Die Eltern lernen in der Wohngruppe Strukturen und einen Umgang mit ihren Kindern, die Kinder besuchen nach Möglichkeit Tagesmütter oder Kindergärten oder morgens zusammen mit ihren Bezugspersonen den Kinderbereich der Einrichtung. Und die Videoaufzeichnungen zeigen oft, dass viele Dinge schon richtig gut laufen – oft besser, als die Mütter oder der Vater es selbst einschätzen. Dimitra Georgious erzählt: „Eine Mutter beklagte, dass sie nie mit ihren Kindern zusammen lacht. Im Video konnten wir aber sehen, dass es genau solche Situationen doch gab, sie oft nur im Alltagsstress nicht wahrgenommen werden.“