Opfer traumatisiert? Prozess um „Angriff auf Kameramann“ wird neu aufgerollt
Haan/Wuppertal · Das Verfahren um einen angeblichen Übergriff auf einen Kameramann 2018 war wegen Krankheit und Terminproblemen nicht zu Ende geführt worden.
Angeklagt wegen Körperverletzung sind ein 33-jähriger Haaner und ein gleichaltriger Mitangeklagter. Das Opfer: Der Kameramann eines SAT.1-Rechercheteams, der durch den gewalttätigen Übergriff im Oktober 2018 verletzt und traumatisiert worden sein soll.
Eigentlich hätte der Amtsrichter die Sache schon im April vom Tisch gehabt. Damals war der Prozess am dritten Verhandlungstag jedoch kurz vor der Urteilsverkündung geplatzt, nun wird er noch einmal neu aufgerollt. Warum? Der Haaner hatte sich damals mit einer Lebensmittelvergiftung bei seinem Verteidiger abgemeldet. Der Mitangeklagte stand angeblich im Stau auf der A3 und hatte von seiner Anwältin zu hören bekommen, dass er gar nicht erst kommen solle, weil der Prozesstag wohl ohnehin nicht stattfinden werde.
Der Amtsrichter hatte noch versucht, den Arzt des erkrankten Angeklagten zu erreichen. Ein „gelber Schein“ sei nicht ausreichend hieß es, es hätte einen Attest über die Verhandlungsunfähigkeit des Mannes gebraucht. Zwischenzeitlich waren auch Zweifel an der Erkrankung aufgekommen und der Gedanke, den Haaner vorführen zu lassen. Denn durch die Abwesenheit der Angeklagten hatte die Kammer ein Problem: Um die Sache fortsetzen zu können, müssen Fristen eingehalten werden. Das wiederum passte damals nicht zu den Urlaubsplänen der Prozessbeteiligten.
Wie kompliziert sich die Terminsuche gestaltet, wurde auch klar, als es um den Neustart des Prozesses ging. Juli? Unmöglich. August? Entweder war der eine nicht da, oder der andere. Nun endlich passt es, am 19. September soll die Sache neu aufgerollt werden. Im Klartext heißt das dann: Die Anklage wird ein weiteres Mal verlesen, sämtliche Videos müssen erneut angeschaut und Zeugen vernommen werden.
Verteidigerin kritisierte Videoaussage des Opfers
Das traumatisierte Opfer war per Videokonferenz aus dem heimischen Wohnzimmer angehört worden, nun geht es wohl auch für den mittlerweile 54-Jährigen in die zweite Runde. Ob die Zeugenvernehmung dann auch mittels eines Video-Calls möglich sein wird? Auch das ist noch nicht klar.
Die Verteidigerin eines der beiden Angeklagten hatte erneut in der Verhandlung behauptet, dass die Vernehmung des Kameramannes rechtswidrig gewesen sei und das Opfer im Saal hätte gehört werden müssen. Das wiederum dürfte eine enorme Belastung für den schwer traumatisierten Kameramann sein, der seit vier Jahren arbeitsunfähig und noch immer in psychiatrischer Behandlung ist.
Was war passiert am 8. Oktober 2018, das vier Jahre später zu einer Anklage wegen Körperverletzung geführt hatte? Eine Redakteurin der SAT.1-Sendung „Akte“ war mit dem Kameramann und einem Tontechniker nach Wuppertal gekommen, um dort auf dem Gelände eines Autohauses zu filmen. Das Team wollte eine „Abzock-Masche“ dokumentieren, der zuvor etliche Autoverkäufer zum Opfer gefallen waren. Unter anderem hätten sie mit dem Verkäufer eines Autos aus Wuppertal gesprochen, der zum Opfer der „Abzocke“ geworden war. Der Mann habe Angst gehabt und sei wie auch andere Betroffene bedroht worden: So schilderte es die Redakteurin seinerzeit vor Gericht. Auf dem Firmengelände der Gebrauchtwagenhändler soll es dann zum Gerangel gekommen sein.
Vom Tatvorwurf der schweren Körperverletzung war die Kammer bereits im ersten Prozess abgerückt, nachdem die Aufnahmen der Überwachungskamera des Autohauses im Gerichtssaal gezeigt worden waren.
Man sieht dort, wie das Fernsehteam vom Gelände gedrängt und der Kameramann auf ein Auto geschubst wird. Die Männer entreißen ihm die Kamera und trampeln darauf herum, einer der beiden tritt ihm zwischen die Beine. Was man nicht sieht: Die vermeintlichen Schläge und Tritte, von denen die SAT.1-Redakteurin zuvor im Zeugenstand gesprochen hatte. Das Gericht muss davon ausgehen, dass es diese nicht gegeben hat.
Der Amtsrichter hat es bereits angedeutet: Ein Zusammenhang zwischen der Tat und der schweren Folge der jahrelangen Arbeitsunfähigkeit des Kameramannes sei nicht erkennbar.