Vokstrauertag in Hilden und Haan Aus dem „vergiss nicht“ muss ein „sieh hin“ werden

Hilden/Haan · Bei den zentralen Gedenkfeiern in Hilden und Haan anlässlich des Volkstrauertages wurde auch gemahnt, dem zunehmenden Hass und Fanatismus entgegenzutreten.

Bei der Gedenkfeier am Mahnmal in Gruiten fand auch Henrik Giebels (Vorsitzender des Haaner Jugendparlaments) bewegende Worte.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Ein herbstlicher Wind fegte durch die Parkanlage in Gruiten, als die Bläser des Posaunenchors der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Gruiten-Schöller ihre Instrumente hoben und mit dem Stück „Verleih mir Frieden gnädiglich“ von Martin Luther die Gedenkfeier am Mahnmal im Thunbusch eröffneten.

Haans Bürgermeisterin Bettina Warnecke begrüßte alle, die gekommen waren und erinnerte an die Millionen Opfer von Kriegen, aber auch des Widerstandes. „Wir dürfen nicht aufhören, uns die Sinnlosigkeit des Kriegs bewusst zu machen“, erklärte sie. An diesem Tag werde an die Opfer der Weltkriege, aber auch an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Dabei schlug sie mit dem Ukraine-Krieg und dem Terroranschlag auf Israel eine Brücke in die Gegenwart. „Unsere Gedanken und Gebete gelten den Opfern des Krieges“, betonte sie.

Auch die Demonstrationen und Judenfeindlichkeit im eigenen Land mache fassungslos. Sogar in Haan wurde die israelische Flagge vor dem Rathaus heruntergerissen. „Nie wieder ist jetzt!“, sagte Warnecke. „Haan schließt sich dieser Kampagne mit aller Entschlossenheit an.“ Deshalb sei auch wieder eine israelische Flagge vor dem Rathaus gehisst worden. Zum Abschluss ihrer Rede rief die Bürgermeisterin alle Haaner auf: „Wir müssen als Stadtgemeinschaft zusammenstehen.“ Menschlichkeit und Frieden dürften nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden. Auch Kaplan Sven Thomsen plädierte in seiner Gedenkansprache für ein friedliches Miteinander. „Selig sind die Friedfertigen“, zitierte er die Bergpredigt. „So einfach könnte das sein. Warum fällt uns das so schwer?“ Er rief auf, die Hoffnung nicht zu verlieren. „Die Hoffnung möchte ich nicht sterben lassen.“

In Hilden hatten die Stadt, der Bundeswehr-Standort Waldkaserne und der Ortsverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in den Ehrenhain des Hauptfriedhofs an der Kirchhofstraße eingeladen.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Ähnliche Töne waren auch bei der gemeinsamen Gedenkveranstaltung im Ehrenhain des Hildener Hauptfriedhofs an der Kirchhofstraße zu vernehmen, zu der die Stadt Hilden, der Bundeswehr-Standort Waldkaserne und der Ortsverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge eingeladen hatte.

In Haan beteiligte sich erstmals das Jugendparlament an der Gedenkfeier. Vorsitzender Henrik Giebels brachte die Gedanken der Jugend treffend zum Ausdruck: „Wir sind eine Generation, die in Frieden und Freiheit aufwachsen durfte, und können uns schwer vorstellen, wie es ist, Krieg zu erleben.“ Deshalb sei es so wichtig, sich bewusst zu machen, wie kostbar Frieden und Freiheit sind: „Wir haben die Pflicht, uns dafür einzusetzen“, betonte Giebels. Als Jugendliche hätten sie eine besondere Verantwortung, die Vergangenheit in Erinnerung zu halten, aber auch sich für Frieden in der Zukunft einzusetzen.

Der Liedbeitrag von Emilia Zambon und Melin Atakay, die den Song „Pray for you“ von BB Thomaz vortrugen, traf die Besucher mitten ins Herz und rührte den einen oder anderen zu Tränen. Tränen vergoss auch Gerhard Mayer, ehemaliger Vorsitzender der Europa-Union Ortsgruppe Haan, als er beim Besuch eines Soldatenfriedhofs in der Normandie unter den über 21 000 Gräbern deutscher Soldaten auch auf das eines 17-Jährigen stieß. „Heute werden die Kriegsgräber nicht nur mit Soldaten, sondern auch mit friedfertigen Menschen, mit Frauen und Kindern gefüllt“, sagte er. Erinnern und Gedenken seien notwendig, um die heutigen gesellschaftlichen und weltpolitischen Ereignisse zu reflektieren. „Aus der Erinnerungskultur muss eine aktive Friedenskultur werden.“ Diese Friedenskultur sei ein beständiger und verdammt schwerer aktiver Prozess. Dabei sei jeder einzelne gefragt, denn es fängt am Gartenzaun schon an.

Gerhard Mayer rief dazu auf, die Grenzen zu akzeptieren, ob es die Grenzen des Gartenzauns oder der individuellen Persönlichkeit seien. „Wenn die Grenzen akzeptiert würden, wären Kriegsfriedhöfe nicht mehr nötig.“ Weltpolitische Grenzüberschreitungen dürften nicht hingenommen werden. Mayer brachte die Kernaussage aller Beiträge der Gedenkfeier aussagekräftig auf den Punkt: „Aus dem ,vergiss nicht‘ muss ein ,schau hin‘ werden.“ Nach den Ansprachen fand die feierliche Kranzniederlegung durch die Haaner Vereine und die Bürgermeisterin statt, während der Posaunenchor das Stück „Ich hatt‘ einen Kameraden“ von Friedrich Silcher spielte.