Squaws stürmen die gute Stube

Der neue Bürgersaal diente erstmals als Treff der Närrinnen. Echter Frohsinn konnte bei der Verwaltung im Rathaus nicht aufkommen.

Haan. Ein dunkler Schatten lag über dem Rathaussturm: Den Mitarbeitern der Verwaltung war nicht nach Schunkeln und Lachen zumute, für sie stand eine Beerdigung an. Um 12 Uhr wurde ihre Kollegin Angela Sternberg, Sekretärin an der Grundschule Mittelhaan, beigesetzt. Alle, die sie kannten, trugen gestern schwarz statt bunt, und auch die Verwaltungsspitze zog sich nach dem jecken Treiben um, um Angela Sternberg auf dem evangelischen Friedhof das letzte Geleit zu geben. Sie wurde 46 Jahre alt und hinterlässt Mann und vier Kinder.

Bürgermeisterin Bettina Warnecke meisterte die Herausforderung, zuvor die Möhnen im Ratssaal zu empfangen: Mit ihren Stellvertretern Klaus Mentrop und Jens Niklaus stand sie diesmal für die Partnerschaft mit dem französischen Eu, die Drei waren in die Trikolore gewandet und brachten Calvados unters Volk. Apropos Volk: Mehr als 100 Frauen, davon knapp 70 allesamt als Squaws kostümiert, stürmten diesmal Haans gute Stube, so viele wie nie zuvor. „Wir werden immer mehr!“, bestätigte eine Indianerin, die selbst seit 18 Jahren dabei ist. „Es sind ganz viele neue junge Frauen dazugestoßen.“ Dazu — das heißt zur Truppe von Sylvia und ihrer Tochter Katja, Gastronomin vom „Vici’s“. Da treffen sich die Möhnen immer vor dem Sturm, und Katja erinnert sich bestens: „Es begann einmal mit acht Weibern...“

Foto: Natalie Urbig

Jedenfalls gab die Bürgermeisterin den Rathausschlüssel, den sie in einer Kette um den Hals trug, erst her, nachdem die johlende Menge sie an einen Totempfahl gebunden hatte und wild umtanzte. Da hatten die Kinderprinzen, Pascal und Angelina, ihre Rede bereits gehalten, die Sektflaschen waren mehr oder weniger geleert, und die erste Polonaise (ui: französisch) war durch den Saal getobt. Für die Squaws ging es anschließend bei der Sparkasse in der Kundenhalle weiter.

Währenddessen haben im Bürgersaal Gruiten die Frauen das Sagen. Bei ihrem Pfarrkarneval sind keine Männer erlaubt — nur bei zweien zeigen sich die Damen gnädig: Musiker Gustav Prochazka und Pastor Reiner Nieswandt bekamen Zutritt zur exklusiven Runde. Mitten unter 100 verkleideten Frauen erlebten sie die Weiberfastnacht. Und die jecken Wiewer amüsieren sich prächtig: Lautes Gejohle erfüllt den Saal, als ein zänkisches Ehepaar, gespielt von Dorothee Hübel und Claudia Horn, am Frühstückstisch sitzt. Mann und Frau klagen in einem fort — dabei möchte die Dame des Hauses doch nur an drei Stellen geküsst werden. „Wo sind die denn?“, fragt der Gatte erwartungsvoll. Die Antwort kommt prompt, aber glücklich ist er darüber nicht: „Hawaii, Jamaika und Honduras.“ Seit Oktober feilen die Frauen an ihrem Bühnenprogramm — denn die Darsteller im Bürgersaal sind allesamt Eigengewächse aus der Pfarre. Neben Büttenreden und Tänzen organisieren die Frauen auch den Ablauf der Sitzung, angefangen beim Auf- und Abbau bis hin zur Verpflegung. Dass die Pfarrfrauen auf einmal einem mähenden und muhenden, gar gackernden Publikum gegenüberstanden, war Angelika Ahrweiler zu verdanken, die die Wiewer zu einem Bauernhof-Lied animiert hat. gök/ubg