Schweigen und offene Fragen Totschlag-Prozess: Entkam der Täter in Frauenkleidern?

Haan/Solingen · Im Totschlag-Prozess gegen den Begründer eines Haaner Frisiersalons wird deutlich: Es scheint Zeugen zu geben, die lieber nichts gesehen hätten.

Der Prozess am Landgericht Wuppertal dauert bereits sechs Verhandlungstage.

Foto: dpa/Jan-Philipp Strobel

(mag) Ist der Angeklagte auch der Täter? Daran waren im Prozess gegen den wegen Totschlags angeklagten Solinger zwischenzeitlich Zweifel aufgekommen. Zeugen hatten behauptet, der 32-Jährige sitze nur als „Strohmann“ auf der Anklagebank. Derjenige, der im August 2022 in der Hasselstraße einen 26-Jährigen mit Messerstichen tödlich verletzt hatte, habe sich längst ins Ausland abgesetzt.

Fakt ist: Der Solinger selbst war zwischenzeitlich „weg“ – und hat sich später bei der Polizei gestellt. Klar ist auch: Am Tatort wurde ein Messer gefunden. Daran gibt es DNA-Spuren. Das hat Staatsanwalt Patrick Penders bestätigt. Dazu soll am nächsten Verhandlungstag ein Sachverständiger gehört werden. Dass die Messerspitze abgebrochen und im Schädel des Opfers steckengeblieben war, hatte eine Rechtsmedizinerin ausgesagt. Passen Messerspitze und Messer zusammen und die DNA am Griff zum Angeklagten, könnten das genug Indizien sein, um den 32-Jährigen zu verurteilen. Am 6. Verhandlungstag im Prozess gegen Ismail E. Z. wurde vor allem eines offensichtlich: Es scheint Zeugen zu geben, die lieber nichts gesehen und auch nichts gesagt hätten. Und es gibt den Vorsitzenden Jochen Kötter und Staatsanwalt Patrick Penders, die danach fragen, ob es Bedrohungen gegeben habe und ob Angst vor der Familie des Angeklagten eine Rolle spiele.

Nachbarin will Angeklagten nicht am Tatort gesehen haben

So will eine Nachbarin den Angeklagten keinesfalls am Tatort gesehen haben, obwohl sie seit vier Jahren mit dem 32-Jährigen im gleichen Haus wohnt. Die beiden Söhne der Frau hatten ihn hingegen erkannt – und beide hatten offenbar Angst, das vor Gericht
auszusagen.

Zu dritt hätten sie demnach am Fenster des Kinderzimmers gestanden und die Tat beobachtet. Die Mutter hatte die Polizei gerufen und die Beamten zur Eile gedrängt, weil einer der Männer ein Messer in der Hand gehabt habe.

Ob der damit auch zugestochen hat? Das will der Vorsitzende Jochen Kötter von der Zeugin wissen, weil sie doch die ganze Zeit über hingeschaut habe. Die Frau verneint, sie habe nichts gesehen. Der Mann mit dem Messer soll korpulent gewesen sein und sie sei sich sicher: Der Angeklagte sei es nicht
gewesen.

Am liebsten nichts gehört und jetzt nichts gesagt, hätte vermutlich auch ein Zeuge, der sich wenige Tage nach der Tat – anonym, aber mit Handynummer – bei der Polizei gemeldet hatte. Er habe da etwas vor der Dönerbude „aufgeschnappt“. Die Familie des Täters soll der Familie des Opfers eine Million Euro geboten haben, damit die Opferfamilie „Ruhe geben“ würde. Die habe aber abgelehnt und gesagt, sie wolle den Täter bluten sehen und dessen Frau und die Kinder töten. Den Beamten hatte der Zeuge damals am Telefon auch erzählt, dass sich der „wahre Täter“ ins Ausland abgesetzt habe. Entkommen sei er den Polizeibeamten am Tatort nur deshalb, weil er sich in Frauenkleidern und verschleiert an ihnen vorbeigeschlichen habe. Der Flüchtende sei zu Fuß zur Kohlfurth gelaufen und am „Café Hubraum“ von Bekannten abgeholt worden.

Verändert hatte ihn damals auch eine Zeugin wahrgenommen, die eine „heimliche“ Beziehung mit dem 32-Jährigen Familienvater geführt haben will. Getroffen habe man sich immer in dem Friseursalon in Haan, den der Angeklagte vor Jahren eröffnet hatte und der mittlerweile von dessen Bruder geführt werde.

(red)